Der Charme des ländlichen Raums

Rudolf Buchbinders Festival in Grafenegg startete mit einem Gastspiel des Cleveland Orchestra und Beethovens „Fidelio“ in einer konzertanten Version
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Rudolf Buchbinders Festival in Grafenegg startete mit einem Gastspiel des Cleveland Orchestra und Beethovens „Fidelio“ in einer konzertanten Version

Auch Niederösterreich hat sein Neuschwanstein. In Grafenegg steht das neugotische Schloss aus dem 19.Jahrhundert. Schon für sich allein wäre das Areal mit dem Park spektakulär. Was hier aber seit vier Jahren in der Provinz vor den Toren Wiens erschaffen wurde, ist staunenswert: Zwei Bühnen wurden eröffnet. Die eine ist unter freiem Himmel für 1700 Besucher, der „Wolkenturm“. Die andere zählt 1300 Plätze und heißt – etwas irdischer – „Auditorium“.

Die Akustik stammt von Karlheinz Müller aus München. Er hat auch die Philharmonie Essen und das Haus für Mozart in Salzburg betreut. Seit 2007 lädt Grafenegg zum Musik-Sommer und zum Musik-Festival. Eine Vision ist wahr geworden: Im deutschen Sprachraum gab es lange keine derart großzügige Klassik-Investition abseits der Großstädte. Das Land Niederösterreich und Sponsoren geben das Geld.

„Ziel war, sich über die Grenzen des Landes hinaus zu etablieren“, betont Landes-Hauptmann Erwin Pröll. Die Rechnung ging auf: „Selbst in Tokio weiß man, wo Grafenegg liegt“, freut sich der Pianist und Festival-Leiter Rudolf Buchbinder. In diesem Jahr gastieren auch Kent Nagano und das Bayerische Staatsorchester (10. 9.) sowie das Concertgebouw aus Amsterdam (22.8.). Zudem präsentierte sich mit dem Cleveland Orchestra unter seinem Chef Franz Welser-Möst erstmals ein amerikanisches Top-Ensemble.

Ein bißchen gemogelt

Allerdings war das Orchester nicht in Top-Form. In der 4. Sinfonie von Schubert schwärten getragene Tempi, die Streicher hätten sauberer sein können, manche Bläser-Einsätze gingen daneben. Zwar lief es in Richard Strauss’ „Heldenleben“ besser, allerdings mogelte sich Welser-Möst mit Schärfung der Effekte durch die Klangstruktur. So brauchten die Tonkünstler Niederösterreich, das Hausorchester des Festivals, den direkten Vergleich nicht zu scheuen: Mit Beethovens „Fidelio“ wurde erstmals eine konzertante Oper gestemmt, mit der das Festival am Wochenende startete.

Unter dem jungen Chef Andrés Orozco-Estrada, der kürzlich bei den Münchner Philharmonikern eingesprungen war, thronten zwar getragene Tempi, auch hätten manche Einsätze präziser sein können. Dafür aber gelangen – mit dem Arnold-Schönberg-Chor – in den Kerkerszenen umdüsterte Bilder. Sonst aber blieb dieser „Fidelio“ problematisch, wobei nicht die geplante Besetzung mit Johan Botha (Florestan) und Kurt Rydl (Rocco) zu hören war, sondern Simon O’Neill und Christof Fischesser.

Indes wäre eine Konzentration auf Konzerte sinnvoller. Alles andere verwässert nur das Profil. Und der bisherige Erfolg spricht für sich: Die Auslastung liegt bei 97 Prozent. Integriert werden auch Neue Musik und Kinderprojekte, was im ländlichen Raum nicht selbstverständlich ist. Aktuell liegt das Budget bei 5,2 Millionen Euro, die das Land und Sponsoren beisteuern.

„Wir bekommen vom Staat Österreich keinen einzigen Cent“, sagt Buchbinder und lobt Pröll. Er setze sich nicht nur beherzt für die Kultur ein, sondern wisse auch, wovon er spreche. Das kann man derzeit von manchen Kulturpolitikern in Bayern leider nicht sagen.

Marco Frei

Noch bis zum 12. September. Infos: www.grafenegg.at

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