Der Bua "Magdalena" mag keine Blutwurst machen

Ex-„Tatort”-Kommissar Maximilian Brückner inszeniert Thoma im Münchner Volkstheater
von  Mathias Hejny

Griabig wird es in diesem Wirtsgarten nimmer werden. Ausstatterin Katharina Dobner lässt Tische und Bänke von den Stümpfen gefällter Bäume säumen, die Wirtsleute selbst scheinen entwurzelt: Erst wird das in die Großstadt geflohene Kind, das „in die Schande” fiel, von der Polizei wieder zurück ins Dorf gebracht, dann stirbt die Wirtin (eine starke Frau, die über den Tod im ersten Akt hinaus abendfüllend präsent bleibt: Ursula Burkhardt). Der Herr Kaplan (Peter Mitterrutzner) bietet wenig Trost, und der Herr Bürgermeister (Alexander Duda) betreibt den Auszug der moralvergessenen Restfamilie aus seinem Ort. In die Enge getrieben, sticht der Wirt sein Kind vor den Augen des dörflichen Mobs nieder.

Die Gattungsbezeichnung „Volksstück” meinte Ludwig Thoma für sein Schauspiel „Magdalena” wahrscheinlich ironisch. Bereits zur Uraufführung vor genau 100 Jahren im fernen Berlin jedenfalls stellte der Theaterkritiker Alfred Kerr in seiner schmucklos effizienten Diktion fest: „Kein Volksstück. Vielmehr das Gegenteil eines solchen. In knapper Wucht. Im lautlosen Hinstellen eines Sachbestandes.”

Die Titelheldin ist wohl schwul

Der Sachverhalt ist der Vorwurf der Prostitution. Um die Brisanz des Falles ins Heute zu ziehen, wurde Thomas tragische Heldin im Volkstheater einer Geschlechtsumwandlung unterzogen: Aus Magdalena wurde Leonhard, von dem man hört, er sei im Fummel auf dem Strich gewesen. Männliche Prostitution ist, anders als weibliche, auch heute noch ein No-Go, in einer Dorfgemeinschaft weitab des Laissez-faire der Metropolen genügt ein Anfangsverdacht, schwul zu sein, für Ausgrenzung. Die Bauernburschen, die Leonhard mit Frauenkleidern und einem Blow-Job demütigen, haben immerhin ihren Thoma gelesen und verspotten ihr Opfer als „Magdalena”.

Der Mann, den sie Magdalena nannten, ist Florian Brückner, ein „Bua”, der nicht besonders helle ist im Kopf, hoch angespannt auch, wenn er sich gerade vorm Blutwurstmachen in Vaters Metzgerei durch Zigarettenpausen zu drücken versucht. Die Inszenierung bleibt in der Familie, Regisseur ist sein älterer Bruder Maximilian Brückner. Der Schauspieler, nicht nur prominent als Tuba blasender "Tatort"-Kommissar, den es von Bayern ins Saarland verschlagen hat, gab mit der „Magdalena” ein ansehnliches Debüt als Theaterregisseur. Erfreulich ist, Wolfgang Maria Bauer wieder auf einer Münchner Bühne zu sehen. Allerdings fühlt der sich im Spagat zwischen wehleidigem Witwer und kraftlackelnd-autoritärem Patriarchen nicht besonders daheim. Dafür lässt er die Biergarten-Garnituren so wild fliegen, dass das Publikum in den ersten Reihen in Deckung geht.

Volkstheater am 3., 4., 17., 18. März, 19.30 Uhr, Karten unter Tel. 5234655

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