Der Blick von ganz nah

Am 18. Mai wird das neue Museum Brandhorst an der Ecke Türken- und Theresienstraße im Kunstareal eingeweiht. Damit hat München seine „Vierte Pinakothek“ für die Kunst der Gegenwart.
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Zwei Mitarbeiter hängen das Gemälde „Roses“ des US-Künstlers Cy Twombly im neuen Museum Brandhorst. Ab 21. Mai kann auch die Öffentlichkeit das Bild sehen.
dpa 2 Zwei Mitarbeiter hängen das Gemälde „Roses“ des US-Künstlers Cy Twombly im neuen Museum Brandhorst. Ab 21. Mai kann auch die Öffentlichkeit das Bild sehen.
Der Neubau des Museums im Kunstareal.
Martha Schlüter 2 Der Neubau des Museums im Kunstareal.

Am 18. Mai wird das neue Museum Brandhorst an der Ecke Türken- und Theresienstraße im Kunstareal eingeweiht. Damit hat München seine „Vierte Pinakothek“ für die Kunst der Gegenwart.

Die „Vierte Pinakothek“ ist fast vollendet: Zehn Jahre hat es gebraucht von der Entscheidung bis zur Eröffnung. Jetzt ist es soweit: Am 18. Mai wird das Museum Brandhorst mit einem Festakt eingeweiht, drei Tage später steht es dem Publikum offen.

„Wir zeigen Künstler, die fürs späte 20. Jahrhundert repräsentativ sind“, sagt Sammlungsdirektor Armin Zweite. „Das kreist bei uns um zwei Pole: Twombly und Warhol, die beide 1928 geboren wurden.“ Drumherum gruppieren sich Werke amerikanischer Künstler wie Mike Kelley, Robert Gober, Bruce Nauman, Alex Katz, Eric Fischl und des Briten Damien Hirst, aber auch von Beuys, Sigmar Polke und Katharina Fritsch.

Perfekte Ergänzung

Weil die Sammlung des Kölner Ehepaares Anette (gestorben 1999) und Udo Brandhorst für Carla Schulz-Hoffmann die perfekte Ergänzung zu den Staatsgemäldesammlungen bedeutet, war es für die Stellvertretende Generaldirektorin 1999 klar, dass man sie mit allen Mitteln nach München holen müsse. Als „konstruktive Konkurrenz“ beschreibt sie heute das Verhältnis der Sammlungen: In Zukunft biete sich „auf dem Gelände der präzise größere Überblick“ über die Kunst des 20. Jahrhunderts in der Pinakothek, im Brandhorst-Museum „der Blick von ganz nah, in der Ausweitung“ – „weil sich ein Privatsammler auf einzelne Namen konzentrieren kann“.

Man wurde sich unter dem damaligen Kunstminister Hans Zehetmair schnell einig: Der Stifter bekommt wunschgemäß vom Freistaat ein eigenes Haus errichtet, dessen Unterhalt und Personalkosten der Staat trägt. Seine Sammlung, die er dafür Bayern als Dauerleihgabe überlässt, geht in eine Stiftung ein. Sie bleibt deren Eigentum, aber die Dauerleihgabe ist nur bei Vertragsbruch kündbar – wenn der Freistaat sie nicht pflegen würde oder das Haus verrotten ließe, so Zweite.

Das neue Museum verdrängte die Graphische Sammlung

In der langen Baugeschichte gab’s auch viel Ärger. Unter anderem, weil der zweite Bauabschnitt für die Graphische Sammlung auf die lange Bank geschoben wurde. Das rückt Schulz-Hoffmann zurecht: „Als 1999 der Vertrag geschlossen wurde, war keine Rede davon, ob und wann der zweite Bauabschnitt realisiert werden könnte. 2000 hat Zehetmair insgesamt 50 Millionen Euro, davon zwei Drittel für Brandhorst und ein Drittel für die Graphische Sammlung, versprochen.“ Das Geld reichte nicht für beides, die Graphische Sammlung wartet bis heute. Doch seit klar ist, dass auch die Kölner Foto-Sammlung Wilde nach München kommt, hat sich Kunstminister Wolfgang Heubisch den zweiten Bauabschnitt auf die Fahnen geschrieben.

Aber auch die Qualität der Brandhorst-Kollektion wurde bezweifelt: Der Kunsthistoriker Willibald Sauerländer bedauerte eine „alt und grau gewordene Moderne“. Das hat Schulz-Hoffmann „wahnsinnig geärgert“: „Das war stark auf den späten Warhol bezogen, der damals in der Tat einen Überhang in der Sammlung hatte.“ Seitdem sei viel dazu gekommen an früheren Warhols, das Natalie-Wood-Bildnis (1962), der Triple-Elvis (1963) und das politische „Mustard Race Riot“ (1963).

Stark ausgebaut wurde auch der Werkkomplex des Hausgottes Cy Twombly um dessen Spätwerk, darunter der monumentale Rosen-Zyklus (2008). So ist nun neben dem Lepanto-Zyklus, der im eigens dafür gestalteten ovalen Weiheraum hängt, das gesamte Obergeschoss in einzigartiger Fülle mit Twombly bestückt.

Stattlicher Etat für Ankäufe

Über neue Ankäufe entscheiden Udo Brandhorst und Armin Zweite „auf Zuruf“, wie Zweite sagt. Eine Minimalbesetzung, die angesichts des Engagements seitens des Freistaats erstaunt. Carla Schulz-Hoffmann gibt zu, dass das ganze Haus eine „nicht ganz einfache, ungewöhnliche Konstruktion“ sei, die nicht zuletzt auf dem „guten persönlichen Kontakt“ zwischen Brandhorst, ihr selbst und Zweite beruhe. Letzterer sei als „Direktor für die Sammlung und Stiftung, aber nicht für die Mitarbeiter hier zuständig“, erklärt sie. Für die Nachfolger des Triumvirats ist das allerdings eine Hypothek. Im Kunstministerium weist man darauf hin, dass Ankäufe laut Vertrag „einvernehmlich“ mit den Staatsgemäldesammlungen geregelt werden müssen. Und nach dem Tod des Stifters rückt der Generaldirektor der Staatsgemäldesammlungen an dessen Stelle.

Zweite und Schulz-Hoffmann betonen, dass sie sich über alle Ankäufe verständigen. Zweite: „Was in der Sammlung stark ist, soll verstärkt werden. Auch Neuland wird avisiert, vor allem im Bereich der Videokunst.“ Zuletzt erwarb man Videoarbeiten von Isaac Julien, Stan Douglas und Anri Sala. Dafür gibt es im Untergeschoss einen opulenten Video-Raum.

Und der Stifter selbst? Udo Brandhorst spricht nicht gern mit der Presse und tritt hinter seiner Sammlung völlig zurück. Doch er hat das Bestmögliche für sie ausgehandelt. Und hält die Zügel fest in der Hand.

Roberta De Righi

Zahlen und Fakten zum Museum Brandhorst

Öffnung: Ab Jesus Christus Himmelfahrt steht das Museum Brandhorst an der Türkenstraße dem Publikum von 10 bis 22 Uhr offen. Bis 24. Mai ist der Eintritt frei.

Kosten: Für den Bau hat der Freistaat 48 Millionen Euro locker gemacht und vom Berliner Büro Sauerbruch & Hutton ein neues Kunsthaus errichten lassen. Für die derzeit 700 Werke umfassende Sammlung stehen nun mit 18 Tageslicht-Sälen und Kabinetten 3200 Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Verfügung.

Wert: Die Kunstwerke des Museums werden heute auf etwa 100 Millionen Euro eingeschätzt. Aus den Zinsen des 120 Millionen Euro umfassenden Stiftungskapitals steht jährlich ein Ankaufsetat von derzeit zwei Millionen Euro zur Verfügung.

Direktor: Armin Zweite, 67. Er leitete 16 Jahre lang das städtische Lenbachhaus.

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