Der Bildercharmeur

Mit 80 Jahren gibt sich der „Über-Maler“ Arnulf Rainer filigran und farbfroh – das zeigt eine außergewöhnliche Retrospektive im Klenzebau der Alten Pinakothek
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Mit 80 Jahren gibt sich der „Über-Maler“ Arnulf Rainer filigran und farbfroh – das zeigt eine außergewöhnliche Retrospektive im Klenzebau der Alten Pinakothek

Isabella blinzelt verführerisch. Ihre Augen leuchten hell und heiter. Ist das wirklich Rubens’ Gattin aus der Geißblattlaube? Diese junge Frau, deren Gesicht, eingezwängt zwischen hohem Florentinerhut und mächtigem Mühlsteinkragen, uns immer ein bisschen zu streng vorkam? Arnulf Rainer hat sie trotzdem für sich entdeckt, beim Rundgang durch die Alte Pinakothek. Und er ist mit ihr ins Gespräch gekommen, hat sie fotografiert und dann – typisch Rainer – mit schnellen Pinselstrichen verfremdet. Oder besser: neu in Szene gesetzt. Am Ort dieser Blitz-Liaison ist dem österreichischen Über-Maler nun zum 80. Geburtstag eine außergewöhnliche Retrospektive gewidmet.

Außergewöhnlich zum einen, weil der größte Teil der 130 Arbeiten aus Rainers Privatbesitz stammt, bislang kaum zu sehen war. Zum anderen, weil sich der Künstler ganz aktuell mit Werken der Sammlung auseinander gesetzt hat. Rogiers „Columba-Altar“ und Murillos „Obsthändlerin“, Bouchers Pompadour, die durch eine gute Portion Rotlicht im Popart-Milieu landet. Velásquez’ melancholischem Edelmann, dessen Unterlippe unterm Algengrün der Wange in die Breite wabert. Und eben Rubens’ schöne Isabella Brant.

Immer sind es die Gesichter, die hier im Focus stehen. „Ich brauche eine gewisse Sympathie“, sagt Rainer im AZ-Gespräch. Und die kommt über den Blick. Dass diese neuen Arbeiten, darunter auch vereinzelte Landschaften, eine deutlich hellere Stimmung, eine erstaunliche Filigraneität transportieren im Vergleich zu den schwarzdominierten Kreuzen und Selbstbildnissen, den Totenmasken und frühen Grafiken, zeigt nur seine Wandlungsfähigkeit. „Eine gewisse Frohmut“ wollte er in seine Malerei bringen, und statt nach dem Tragikomischen suche er jetzt nach Anmut.

Trotzdem fühlt sich Rainer nicht wirklich verstanden: „Man hat mich immer nur als Schwarzmaler gesehen, ich dagegen wollte ein kontemplativer Maler sein“, betont er, „und was ständig als Aggressivität bezeichnet wurde, ist einfach kraftvoll.“

Tatsächlich hat man Mühe, den zierlichen Mann samt seinem delikaten Charme mit den schmerzvollen Grimassen der „Face Farces“ zusammen zu bringen, mit den von dunklem Blut überlaufenen Kreuzen zwei Räume weiter. Mit dem vom Lenbachhaus geliehenen „Hiroshima“-Zyklus, der das Grauen qua Überpinselung am liebsten ungeschehen machen würde und doch erst ins Unermessliche steigert.

Natürlich war da auch immer das feurige Rot, das energiegeladene Orange, waren die zarten Striche der „Blindzeichnungen“ fern jeder Düsterkeit. Aber die Ruhe, das Kontemplative, das Rainer so sehr für sich beansprucht, schleicht sich erst spät in dieses Werk. Etwa mit den schlichten schwarz-weiß-dominierten Schleierbildern oder dem farbreichen Zyklus „Geologica“ aus den Neunzigern. Und wenn ihm Damen wie Isabella weiterhin „einfach zuzwinkern“, wie Rainer sagt, dann ist da noch einiges zu erwarten. Christa Sigg

"Arnulf Rainer, "Der Übermaler", Alte Pinakothek, Klenzebau, bis 5. September

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