Der bewegliche Mann
MÜNCHEN - Til Schweiger wurde oft belächelt, unterschätzt und hat das deutsche Kino mit "Keinohrhasen" im Sturm erobert. Jetzt geht der nächste Streifen des 44-Jährigen an den Start. In München feiert "Eineinhalb Ritter - Auf der Suche nach der hinreißenden Herzelinde" Premiere.
Eigentlich hätte er Unterwäsche-Model werden sollen. Zumindest, wenn es nach den tausenden Frauen gegangen wäre, die Til Schweiger 1994 nackt auf einem Couchtisch kauernd anhimmelten. Nach „Der bewegte Mann“ wäre jede zweite Deutsche mit ihm gerne ins Bett gestiegen, so eine Umfrage.
Dass Schweiger – der Beau, der Macho, der deutsche Naivling mit dem Knackarsch – einmal die Riege der deutschen Schauspieler anführen würde, noch vor wenigen Jahren hätte niemand damit gerechnet. Sixpack und Stirnfalte – der muss doch einfach doof sein. Nett, aber doch kein Schauspieler mit Verve.
„Ich wollte immer als Schauspieler ernst genommen werden“, sagt er – doch das gute Aussehen kam ihm dazwischen. „Prompt hieß es: ,Der kann nur drei Gesichtsausdrücke.’ Es hat Jahre gedauert, bis ich mir gesagt habe: ,Na und, immerhin einen mehr, als Steve McQueen.’“
Als Schwiergermuttertraum, Proll oder Macho: Um Anerkennung musste er kämpfen
Seit dem Anfang seiner Karriere hat Schweiger für Anerkennung gekämpft. 17 Jahre, in denen er das Image des Trottels versuchte abzuschütteln und doch mit seinen Rollen pflegte. Als Schwiegermuttertraum in der „Lindenstraße“, Proll in „Manta Manta“, als Gauner in „Männerpension“, als Macho in „Der große Bagarozy“. Ein Händchen für Rollen – weiß Gott nicht, aber ein Händchen für die Massen.
Die verzeihen Schweiger jeden Flop. Sei es an der Seite von Angelina Jolie in „Tomb Raider II“ oder als schießwütiger Elitesoldat in „Far Cry“. Sie verzeihen, weil der Mann, der einst Pornofilme synchronisierte, so sympathisch lächelt, mit seinen vier Kindern im Gänsemarsch auf Premierenpartys auftaucht – und weil er hin und wieder etwas Großes abliefert. Erstmals 1997 mit „Knockin’ on Heaven’s Door“.
Ein Komödie um zwei Krebskranke, eine Art Haders „Indien“ aus Deutschland. Schweiger, erstmals hinter der Kamera als Autor und Produzent, schreibt sich die Rolle des selbstverliebten Martin auf den Leib.
Mit Selbstironie zum Erfolg
Wieder folgen Jahre ohne Kassenerfolg, auch in Hollywood will der Durchbruch nicht gelingen. Schließlich wagt der gebürtige Freiburger 2004 den vielleicht mutigsten Schritt seiner Karriere: Er parodiert sich selbst in Bully Herbigs „(T)Raumschiff Surprise“. „Mein Name ist Til Schweiger, und damit verdiene ich mein Geld. Es ist nicht viel, aber es reicht für zwei Wochen Cluburlaub“, sagt er – ein Satz, so selbstironisch, dass er mit einem Bambi geehrt wird.
Das gewonnene Selbstbewusstsein macht Schweiger zum Arbeitstier. In vier Jahren dreht er über 13 Filme, seine Ehe mit Ex-Model Dana geht darüber in die Brüche.
„Barfuß“ heißt 2005 der Coup, mit dem Schweiger zum ernsthaften Filmemacher avanciert. Eine Komödie, ernst wie das Leben, ein Film aus einem Guss: Schweiger schreibt das Buch, führt Regie, produziert und spielt die Hauptrolle.
Mit Trotz und Humor erobert "Keinohrhasen" die Zuschauer
Schließlich verhilft der Regisseur Schweiger dem Schauspieler Til 2007 zu seiner besten Rolle. In „Keinohrhasen“ spielt er sich selbst: Liebling der Frauen, doch einfach nicht überlebensfähig. Doch die Kritiken sind zurückhaltend und auch für den Deutschen Filmpreis wird die Komödie nicht nominiert. Schweiger tritt aus der Deutschen Filmakademie aus, um wenig später reumütig zurückzukehren.
Während der 44-Jährige wie ein trotziger Schulbub den Aufstand übt, entwickelt sich „Keinohrhasen“ via Ohr-zu-Ohr-Propaganda zum Renner. Mit laxem Humor, schrägen Charakteren und dem etwas kindlichen Mut, Oralsex in eine Komödie einfließen zu lassen, wird er zum Publikumsmagnet – nicht nur für Frauen. Mit 6,3 Millionen Zuschauer ist „Keinohrhasen“ der erfolgreichste Film des Jahres, der zweite Teil ist in Arbeit.
Doch erst startet Schweigers Klamauk-Streifen „11/2 Ritter – Auf der Suche nach der hinreißenden Herzelinde“ am 18. Dezember. Gestern war in München Premiere. Da schadet es auch nicht, dass Schweiger inzwischen sogar Werbung für Unterwäsche gemacht hat. In Babyblau.
Anne Kathrin Koophamel