Der Auswanderer
Steffen Möller, Autor von „Viva Polonia“ und Vita Classica“, Kabarettist, Schauspieler und Moderator erklärt im Theaterzelt Das Schloss das Wesen der Polen und gibt Tipps zur erfolgreichen Integration
Steffen Möller ist einer der bekanntesten Deutschen in Polen, berühmt geworden mit der TV-Serie „L wie Liebe“. Umgekehrt begeistert er auch die Deutschen für seine neue Heimat. Heute gibt er im Theaterzelt Das Schloss unter dem Titel „Expedition zu den Polen – Crashkurs für Auswanderer” eine Einführung in das Nachbarland.
AZ: Herr Möller, Ihr erstes polnisches Wort war Notbremse?
STEFFEN MÖLLER: Im Zug von Berlin nach Krakau sah ich – ausgerüstet für eine 40 Stunden Fahrt an den Ural – dieses Wort im Abteil. Genau genommen sind es auf Polnisch zwei Wörter: Bremse der Sicherheit. Ein polnischer Mitreisender half mir zu buchstabieren. So vergingen die Stunden wie im Flug. Es waren nämlich nur neun, statt 40 Stunden. Weil Polen gar nicht am Ural liegt. Es ist ein Nachbarland.
Sie haben Philosophie und Theologie studiert. Kabarettist, Schauspieler und Moderator war ja wohl nicht der primäre Berufswunsch?
Nee, obwohl mir bei einem Philosophieseminar über Hegel der Dozent anschließend erklärte, er habe lange nicht mehr so viel gelacht, und ich würde sicher mal Serienschauspieler werden. Damals habe ich mich geärgert, heute weiß ich, der Mann hatte recht.
Wird Polen immer noch zu wenig wahrgenommen?
Für viele Wuppertaler ist Schwerin schon am Ende der Welt. Und Polen auf dem Mond. Wir werden im Schulunterricht sehr auf deutsche Geschichte erzogen. Man weiß noch nicht einmal, dass Wien 1683 nicht von Prinz Eugen, sondern vom polnischen König Jan Sobieski befreit wurde.
Sie haben einmal erzählt, dass die Polen Erika Steinbach für eine bedeutende deutsche Politikerin halten.
Es gilt generell die Regel, dass man vom Nachbarn meist das Negative wahrnimmt. In Deutschland reden wir in Bezug auf Polen gerne von Billigarbeitern, Autodieben und Prostitution. Dass Polen 2009 das einzige Land der EU war, das ein positives Wirtschaftswachstum hatte, das dringt nicht durch.
Hat das Leben zwischen den Kulturen auch Nachteile?
Eine gewisse Lockerheit der Identität fehlt. Man weiß manchmal nicht genau, wo man hingehört und sei es nur bei Fußballspielen oder Weihnachtsgebräuchen. Gerade im Zuge der Sarrazin-Debatte fehlt mir oft die Sensibilität der Deutschen dafür, wie schwierig es ist, sich in einem anderen Land zu integrieren. Und sei es nur in einem so harmlosen und unexotischen Nachbarland wie Polen. Wie schwierig ist es dann erst für die Türken in Deutschland.
Das Fiese an dieser Debatte ist, dass man mit Begriffen wie „Migrant“ operiert. Alles Fremde steht per se außen.
Das zeigt einen Charakterzug Sarrazins, der die Sache für mich in der Wurzel unsympathisch macht: der Mangel an Selbstironie. Man erspart sich den Blick von außen auf sich selbst. Ich würde gerne wissen, wie sehr oder wenig Sarrazin sich nach zehn Jahren in Polen (geschweige denn Türkei) in die Gesellschaft integrieren würde. Dieser Mangel in der Diskussion liegt wohl im Charakter von Sazzarin begründet und leider auch in vielen unserer satten Landsleute.
Sie haben in der Sitcom „L wie Liebe“ einen deutschen Kartoffelbauern gespielt. Hat die Rolle Stereotype bedient?
Sorry, keine Sitcom – das ist eine Primetime-Serie mit Außenaufnahmen. Einerseits habe ich das Klischee bedient, andererseits habe ich dagegen angesteuert. Einerseits war ich der Mercedesfahrer, der in Polen Land pachtet, andererseits war ich romantisch, ein Pechvogel in Liebessachen. Das lag quer. Man hat in Polen das Bild, dass wir Deutschen Gewinnertypen sind, die überall mit dem Panzer herumrollen.
Wie man in Ihrem neuen Buch „Vita Classica“ liest, haben Sie sich in Ihrer Jugend statt für Jeans und Cola für Cordhose und Schostakowitsch entschieden. Hat die Verweigerung der Pop-Kultur es Ihnen leichter gemacht, nach Polen zu gehen?
Ja, schon. Als Klassikfan ist man es gewohnt, an der Peripherie der Gesellschaft zu stehen. Man ist gewohnt, gegen herrschende Vorurteile anzukämpfen. Ob man jetzt für Schostakowitsch eintritt oder für Polen, das ist dann auch egal.
Christian Jooß
Theaterzelt Das Schloss, Schwere-Reiter-Str. 15, Freitag, 20.30 Uhr, Eintritt: 18 Euro
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