"Dein Mann brummt und wir bumsen"

Das Augsburger Theater treibt der „Fledermaus” auch noch den letzten Charme aus
Volker Boser |
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Vorsichtig sei unterstellt, dass dem isländischen Regisseur die Doppelbödigkeit dieser in herrlichsten Dreivierteltakt gepackten Ehebruchs-Sottisen fremd geblieben ist. Anders lässt es sich nicht erklären, warum Thorleifur Örn Arnarsson im Theater Augsburg die „Fledermaus” von Johann Strauß derart dumm und unprofessionell in den Sand setzte.

Es beginnt damit, dass nach der Ouvertüre zwei Herren die Bühne betreten. Der eine sagt: „Bundespräsident Wulff ist zurückgetreten”. Der Andere: „Glaub’ ich nicht.” Darauf der Übermittler der Heilsbotschaft: „Ich auch nicht”. Beide verschwinden, nicht ohne einen Hinweis zu geben auf zwei Monitore, die neben der Bühne den Blick auf die Noten freigeben: „Wenn Ihnen die Inszenierung nicht gefällt, lesen Sie einfach mit.” Das Publikum lacht milde.

Später analysiert Gesangslehrer Alfred das Tête-à-tête mit der angebeteten, aber verheirateten Rosalinde knapp und zeitgemäß: „Dein Mann brummt und wir bumsen.” Auf Orlofskys Ball erklingen nacheinander Mozarts „Kleine Nachtmusik”, die Marseillaise, das Deutschlandlied und schließlich Musik aus Tim Burtons „Batman”-Film.

Beim "Dui-Du" wird das Stubenmädel vergewaltigt

Während des „Dui-du” wird das Stubenmädchen Adele von Gefängnisdirektor Frank vergewaltigt, schreit um Hilfe, zerstört damit die Musik und bekommt im dritten Akt – wen wundert es? – beim Couplet „Spiel ich die Unschuld vom Lande” einen Heulkrampf. Auch dem Frosch wurden die Pointen ausgetrieben. Stattdessen beichtet er, dass er einst auf den stockbesoffenen Dr. Falke pinkeln musste, was ihm viel Geld einbrachte. Das zunächst geduldige Premierenpublikum wurde langsam sauer. „So ein Scheiß”, schallte es vom Rang.

Leid tat es einem um die Sänger, weniger um den Dirigenten Rune Bergmann, der die Musik grob in den Raum klotzen ließ, als sei man in einem Oktoberfestzelt. Sally du Randt hatte als Rosalinde ein Ballkleid an, das stark an Romy Schneiders Sisi-Outfit erinnerte (Kostüme: Filippia Elisdóttir), stimmlich zeigte sie achtbare Routine. Cathrin Langes Adele kämpfte hingebungsvoll mit den Steinen, die ihr von der Regie in den Weg gerollt wurden. Christopher Busiettas Alfred überzeugte charmant trotz kleiner Stimme. Giulio Alvise Caselli (Dr. Falke) konnte vor allem in dem von ihm angeführten Ensemble „Brüderlein und Schwesterlein” glänzen.

Als Eisenstein bot Jan Friedrich Eggers die beste Leistung des Abends: die hinreißende Studie eines eitlen, cholerischen Yuppies, hinter dessen aufbrausender Fassade sich geradezu anrührende Verletzbarkeit verbirgt. Vor allem dieser auch im Spiel überaus engagierte Sänger hätte eine angemessene Regie verdient. Mag sein, dass die Augsburger Intendanz mit derartigem Unfug Neugierige anlocken will – von hier aus deshalb der eindringliche Rat: zuhause bleiben! 

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