Dazwischen drehen mit Spielberg
Rainer Bock hat ein bewegtes Jahr als Schauspieler hinter sich. Denn nach seinem Auftritt in „Das weiße Band“ hat ihn auch Hollywood entdeckt – heute aber feiert er Premiere im Residenz Theater
Am Oscar ist Michael Hanekes Film „Das weiße Band“ hauchdünn vorbeigeschrammt. Aber dem Schauspieler Rainer Bock (56) brachte seine Rolle als Landarzt den legendären Anruf aus Hollywood ein – wenn auch per Mail. Kein Geringerer als Steven Spielberg („Schindlers Liste“) wollte ihn für seinen neuen Film „War Horse“, der vor Kurzem in England abgedreht wurde. In München stand Bock zuletzt Anfang Dezember für einen „Polizeiruf 110" unter Hans Steinbichlers Regie vor der Kamera – und zwar bis in die Nacht. Tags probte er dann im Residenz Theater Arthur Schnitzlers Drama „Der einsame Weg“. In der Inszenierung von Jens-Daniel Herzog spielt er darin den Kunstprofessor Wegrat. Am Samstag ist Premiere.
Einen einsamen Weg gehen in Schnitzlers 1904 uraufgeführtem Stück alle Figuren. Professor Wegrats geliebte Frau stirbt mit Mitte 40. Was außer ihrem Mann und ihren erwachsenen Kindern fast alle wissen: Sohn Felix ist ein Kuckuckskind. Sie hatte kurz vor der Heirat eine Affäre mit dem Maler Fichtner (Götz Schubert), der sie für seine Freiheit sitzen ließ. Jetzt ist Fichtner eine verkrachte Existenz und will seinen leiblichen Sohn ins Vertrauen und auf seine Seite ziehen. Dritter im Männerbund dieses Künstler- und Generationendramas ist der zynische, todkranke Schriftsteller von Sala (Christian Nickel), den Wegrats Tochter Johanna ausweglos liebt.
„Alle sind maßlose Egozentriker, die ein Lebensziel suchen“, sagt Rainer Bock. „Fichtner und Wegrat hatten einst als Kunststudenten die gleiche Startposition. Wegrat ist durch die Liebe und Heirat zum Beamten geworden. Der asoziale Fichtner will alles: Liebe, Freiheit, und am Ende doch eine Familie. Er hat nicht begriffen, dass man erst mal einzahlen muss, um etwas rausgezahlt zu kriegen. Beide haben dieselbe Frau geliebt. Der eine hat es als Abenteuer mitgenommen, der andere als Lebensaufgabe verstanden. Beide Lebensentwürfe haben ihre Berechtigung. Aber man muss die Konsequenzen tragen und nicht hinterher greinen: Ich habe alles falsch gemacht.“
Mit Dorn geht auch der Schauspieler
Das Thema der Kuckuckskinder findet Rainer Bock sehr heutig: „Vor gar nicht langer Zeit gab’s große Diskussionen um den Vaterschaftstest, deswegen sind Familien zerbrochen.“ Schnitzler lässt offen, ob der biedere Wegrat wirklich ahnungslos ist. Bock will das auch nicht eindeutig zeigen, hat aber seine Meinung: „Ich behaupte, er weiß es. Er hat zum Wohle aller die Familie zusammengehalten und mit großer Würde und tiefer Menschlichkeit über Konventionen hinausgedacht, um Liebe und Freundschaft nicht zu gefährden. Das ist eine immense Lebensleistung. Aber man muss sich auch fragen: Wo sind seine Verletzungen?“
Mit dem Intendantenwechsel 2011 endet für Rainer Bock seine Zeit am Residenz Theater: „Die zehn Jahre waren abwechslungsreich, lehrreich, erfahrungs-erweiternd, aber ich sehe der Zukunft gespannt entgegen.“ Aufs Theaterspielen will er keinesfalls verzichten, aber kein festes Engagement mehr annehmen. Ideal fände er eine Gastrolle pro Jahr. Also wird man ihn vor allem im Fernsehen und Kino sehen: Zum Beispiel am 19. Dezember in einem Münchner „Tatort“. Zur Berlinale eingereicht ist der amerikanische Thriller „Unknown White Male“ von Jaume Collet-Serra, in dem er neben Liam Neeson, Diane Kruger, Bruno Ganz und Sebastian Koch spielt. Im Sommer hat er mit Christoph Stark „Für immer und ewig“ gedreht, über den Lyriker Georg Trakl und dessen Inzest-Verhältnis zu seiner Schwester Grete, deren Ehemann Bock verkörpert.
Beeindruckt hat ihn die Arbeit mit Steven Spielberg. Das Episodendrama „War Horse“ verfolgt den Weg eines Kriegspferdes im Ersten Weltkrieg durch Europa. Bock spielt einen deutschen Offizier: „Keinen bösen, sondern einen taffen, aber menschlichen.“ Vor dem ersten Drehtag hatte er Lampenfieber: „Spielberg ist ja wandelnde Filmgeschichte, da hat man als Schauspieler natürlich Druck. Den hat er einem auf sehr ruhige Weise nach einem Tag genommen. Er ist sehr humorvoll und gelassen.“
Gabriella Lorenz
Residenz Theater, Samstag, 19 Uhr, Tel. 2185 1940
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