Dass der Federhall kracht

„Psychedelic Pill“: Neil Young & Crazy Horse veröffentlichen mal eben eine Doppel-CD
von  Christian Jooß

„Psychedelic Pill“: Neil Young & Crazy Horse veröffentlichen mal eben eine Doppel-CD.

Auf den Pressebildern, die es zum neuen Album gibt, ist der Kragen von seinem Poncho verrutscht. Man stellt sich vor, wie der Fotograf ihm das Ding endlich zurechtgezupft und Mr. Neil Young mit der Achsel gezuckt hätte, Wenn ihm so etwas wichtig wäre, hätte er sich auch keinen verbeulten Strohhut aufgesetzt. Dann hätte er auch im Schaffensdrang mit den besten Grobmotorikern der Welt, Crazy Horse, kein Doppelalbum eingespielt und in der bewusstseinserweiternden Schrift einer Landkommunenstrickrunde „Psychedelic Pill“ daraufmalen lassen.

Letzteres war jetzt eine Frechheit. Gary Burden, der das Cover gestaltete, hat für Young schon das Artwork von „After The Goldrush“ besorgt und für die Doors das Cover von „Morrison Hotel“ gemacht. Wo andere sich im Studio monatelang optimieren lassen, sperrt Young sein Privatstudio auf der Broken Arrow Ranch in Kalifornien auf, um kurz nachdem er mir Crazy Horse durch die Coverversionen von „Americana“ galoppiert ist und seine Biografie „Ein Hippie-Traum“ veröffentlicht hat, den Fender Tweed Deluxe aufzureißen, dass die Röhren rauchen.

Kundenfreundlichkeit war Neil Young über Strecken piepegal

Weil Young über weite Strecken seiner Karriere die Kundenfreundlichkeit piepegal war, beginnt „Psychedelic Pill“ mit einem Song, der an der unglaublichen 28-Minuten-Grenze kratzt. Erkenntnis: Young hegt immer noch Sympathien für den Maharishi und mochte Picasso, bis der „tschechische Gigant“ ihn zu Tapetenkunst machte. Nach geschätzten 17 Minuten hat sich das auf zwei Akkorden eingependelt und ist ohne Zugabe psychedelischer Rauschmittel kaum zu ertragen.

Macht nichts, denn da kommt der Titelsong ums Eck und Neil kramt einen steinzeitlichen Phaser-Effekt aus der Trickkiste, die Idealergänzung zur Super-Sonic-Space-Guitar, die einen immer noch in die Umlaufbahn schießt. „Ramada Inn“ – was für ein Liebeslied auf den alten Straßen der Vergangenheit. „Born In Ontario“ – Neil schaukelt nach Hause und – „uuuuhhh Ontario“ – Poncho Sampedro, Billy Talbot und Ralph Molina verlassen singend den Boden. Um auf „She’s Always Dancing“ einzuschweben und aufzusetzen wie eine Boeing.

In „Walk Like A Giant“ schlendert pfeifend ein Riese durch die Landschaft. Allein für die Momente, in denen die Gitarre schnaubt wie ein Dampfmaschinen-Rhinozeros und aufstampft, dass der Federhall kracht, muss man den Alten lieben.

Neil Young: „Psychedelic Pill“ (Repise Records/Warner)

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