Das wilde Verlangen
Nach ihrem Studium an der Theaterakademie wollen sie die Musicalbühnen der Welt erobern, am Mittwoch eroberten sie als Diplomprüfung die Bühne des Deutschen Theaters. Und die hat es beim Rock Musical „Frühlings Erwachen" in sich: Auf dem vorderen Teil dienen nur Stühle als Requisiten und die hintere Hälfte ist von einem beweglichen, eindimensionalen Haus eingenommen. Das kippt mehrmals von der Senkrechten langsam in die Waagrechte, während die Darsteller halsbrecherische Klettermanöver unternehmen, in den Fenstern sitzen, die Wände hoch rennen oder im Überschwang der Gefühle um das Kulissenhaus fetzen.
Klavierlehrerin mit Plastikbusen
„Frühlings Erwachen", Wedekinds Drama über Jugendliche, die sich durch die Sorgen und Nöte des Erwachsenwerdens kämpfen, braucht genau solche Spielfreude. Wer nicht spielt und singt, rockt sitzend am Rand zur Musik. Wenn sich dann die Erwachsenen in das Leben der Teenager einmischen, wird es skurril bis klamaukig. Im ersten Drittel ist die kommende Tragödie kaum zu ahnen. Die Stimmung ist überdreht, sexuell aufgeladen. In der Choreographie dazu wechseln sich Zurückhaltung und Detailverliebtheit mit jugendlichem Rumgehopse ab. Die heiße Klavierlehrerin entblößt ihren monströsen Plastikbusen, Schiefertafeln werden zu Gitarren, und Schulversager Moritz (Maurice Klemm) benennt laut weibliche Genitalien.
Offene Wunden
Die Spielhandlung bleibt im 19. Jahrhundert, doch die Musik bringt sie ins Heute. Der softe Rock ist nicht handlungstragend, sondern transportiert die Gefühle der jungen Menschen. „Du bist verwundbar und ich bin deine Qual”, singen der verliebte Melchior (Kurosch Abbasi) und seine Wendla (Tina Haas), aber auch die Jungen, die ihre Homosexualität entdecken.
Diese Verwundbarkeit wird in Soli und Duetten offengelegt, begleitet von einer Band mit Streichern. Die Kraft und Energie, die von der Clique ausgeht, werden in starken Ensembleleistungen besungen und enden in einem gemeinsamen Lied, das Hoffnung auf ein kommendes Wunder macht.
Bis 17. 7., Dienstag bis Samstag, 20 Uhr, Sonntag, 19 Uhr, Deutsches Theater in Fröttmaning, Karten von 19 bis 49 Euro, Tel. 55 23 44 44
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