Das Weihnachtsoratorium unter Leitung von Enoch zu Guttenberg
Eine Geschwindigkeit, bei der die Zuschauer zwischen den Kantaten kaum zum Husten kommen: Das Weihnachtsoratorium unter Leitung von Enoch zu Guttenberg.
Das Weihnachtsoratorium mit Enoch zu Guttenberg gehört zum Münchner Konzertkalender wie die Gans zum ersten Feiertag.
Doch zur Routine wird es deshalb noch lange nicht. Im Gegenteil, jedesmal wieder probiert der Dirigent Neues aus, konfrontiert seine Chorgemeinschaft Neubeuern und die technisch perfekte „KlangVerwaltung“ mit geradezu extravaganten Ideen.
Das „Jauchzet, frohlocket!“ knallt in einem Tempo heraus, als würden die Engel im Tiefflug unter den Akustiksegeln der Philharmonie hin- und herschwirren, beim Choral „Wie soll ich dich empfangen“ hingegen ist das Piano so zart, dass man kaum zu atmen wagt.
Guttenbergs überbordendes Temperament wird eins mit Chor und Orchester: Bei der Hirtenmusik tänzelt er vorsichtig auf dem Podium, beim „Herrscher des Himmels“ fordert, ja provoziert er die Musiker offensiv, geht in die Knie, bremst ab, nimmt zurück. Es macht Spaß, diesem Vollblutdirigenten beim Modellieren des Klangs zuzusehen.
So geht das in einer Geschwindigkeit dahin, dass die Zuschauer zwischen den Kantaten kaum zum Husten kommen. Alle sechs Teile in knapp drei Stunden, das packt sonst keiner. Auch wenn mal ein Trompetenton schräg daherkommt – was soll’s. Die Solisten bravourös – Evangelist Jörg Dürmüller sehr wortdeutlich, allenfalls ein bisschen zu leidenschaftlich für seine fast reporterhafte Aufgabe. Die strahlendste Stimme des Abends ist der Alt von Franziska Gottwald. Sie gibt den Arien Tiefe und Intensität. Ihr zuzuhören heißt, das Werk zu begreifen – als eine Feier des Glücks.
Arno Makowsky
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