Das verlorene Paradies

Intensiv, realistisch, herzzerreißend: Ryan Gosling und Michelle Williams kämpfen in „Blue Valentine” um ihre kaputte Ehe
Florian Koch |
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Der Kalenderspruch „Wir sind füreinander geschaffen” klingt nach Soap-Opera, und doch trifft er in seiner ganzen Trivialität manchmal einfach den Punkt.
Dean (Ryan Gosling) und Cindy (Michelle Williams) bilden so ein fantastisch harmonierendes Paar, das man sich getrennt eigentlich gar nicht vorstellen kann. Dabei fällt das erste Treffen der beiden alles andere als romantisch aus. Dean, der lebenslustige Hobbymusiker, verdient seine Brötchen als New Yorker Umzugshelfer und trifft Cindy, die Studentin, in einem bescheidenen Altersheim, indem ihre Großmutter wohnt.
Ein schüchterner Blick, dürre Worte, Dean muss weg. Aber die Erinnerung bleibt hängen, so lange, dass er alle Hebel in Bewegung setzt, um die „Eine oder keine” wiederzusehen. Ihre ersten Annäherungsversuche sind noch ganz zart, aber dann bricht ein wunderbarer Nachtspaziergang den Bann. Dean packt die Ukulele aus, singt herrlich schief, und Cindy, die Zurückhaltende, kennt plötzlich keine Scheu mehr, steppt einfach los. Ein zauberhafter Zweisamkeitsmoment, so echt, so berührend, wie man ihn selten in einem Film gesehen hat. Jetzt könnte „Blue Valentine” eigentlich zu Ende sein. Doch Regisseur Derek Cianfrance verfolgt in seinem herausragenden Beziehungsdrama einen ganz anderen Ansatz.

Wenn die Liebe verloren geht, beginnt ein Kampf

Dean und Cindys Momente des Glücks sind bloße Rückblicksfetzen, um den Zuschauer schmerzhaft daran zu erinnern, was einmal war und was nicht mehr ist. Jetzt sehen wir die letzten Zuckungen einer Ehe, die nur noch auf dem Papier existiert. Dean hat sich zurückentwickelt zu einem trägen, schleppend sprechenden Mann mit tiefen Geheimratsecken und einer schlecht sitzenden Sonnenbrille. Während seine beruflichen Ambitionen gegen Null tendieren, strebt Cindy nach Anerkennung in ihrem Arzthelferinnenjob. Sie legt Wert auf Kleidung und Disziplin, und verzweifelt an ihrem abgehalfterten Lebenspartner, der dazu noch das bessere Verhältnis zu ihrem Kind pflegt.
Mit ungeheurer Intensität spielen sich die kommenden Hollywood-Stars Gosling und Williams in den teils improvisierten Beziehungskämpfen und -Krämpfen die Seele aus dem Leib. Doch ihre Leistungen wären nichts wert, wenn Cianfrance nicht beide Figuren mitsamt ihren Stärken und Schwächen gleichermaßen lieben würde. Aber das tut er, und das macht seinen Film so unvergesslich.


Kino: Atlantis (OV), Cinema (OV), City, Monopol, Münchner Freiheit
R: Derek Cianfrance (USA, 112 Min.)

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