Das Tor zur Drogen-Hölle

Der Berliner Künstler Thomas Zipp verwandelt mit seinen düsteren Installationen die lichten Räume der Sammlung Goetz in eine Mischung aus Mausoleum und Bunker
von  Abendzeitung

Der Berliner Künstler Thomas Zipp verwandelt mit seinen düsteren Installationen die lichten Räume der Sammlung Goetz in eine Mischung aus Mausoleum und Bunker

Die bedingungslose Offenheit, mit der Ingvild Goetz Kunst wahrnimmt und erwirbt, ist immer wieder erstaunlich: Viele inzwischen bedeutende Künstler sammelte sie schon früh, und immer wieder aufs Neue begeistert sie sich für junge und sperrige Kunst.

Der Berliner Thomas Zipp (geboren 1966) macht es dem Betrachter in seiner großen Einzelausstellung an der Oberföhringer Straße nicht leicht: Unter Vergils Motto „Der Geist bewegt die Materie“ verwandelt er das sonst helle, lichte Privatmuseum in eine morbide Mischung aus Mausoleum und Bunker: Schwarze Teppichböden, dunkle Vorhänge und grellweiß leuchtende Neon-Lüster erzeugen eine klaustrophobische Atmosphäre. Noch düsterer sind nur Zipps Werke, die Ingvild Goetz seit 2002 sammelt.

Was ist ein Psychonaute?

Sehr subjektiv und assoziativ setzt sich der Berliner Künstler, der in einer Metal-Band spielt und an der Universität der Künste lehrt, mit der Psychonautik auseinander: Der Begriff bezieht sich auf die New-Age-Szene, in der Drogen oder Meditation zur Bewusstseinserweiterung dienten. So erklärt sich auch der Untertitel „Luther & the Family of Pills“ Denn Zipp zählt Theologen, Physiker und andere Wissenschafter zu den Bewusstseins-Grenzgängern.

Aus Bildern und Objekten baut er ganze Rauminstallationen. Und die Porträts, die man darin findet, sehen allesamt so aus, als ob sie aus dem Totenreich schauen. Was nicht zuletzt dadurch verstärkt wird, dass Zipp ihnen als Pupillen diabolisch glänzende Metallnägel einsetzt. So auch wie in dem abenteuerlich-krausen Kellerraum, der mit Dantes „Ihr, die hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren“ überschrieben und durch den Hinweis auf LSD erweitert worden ist. In diesem „Tor zur Drogen-Hölle“ blicken von den Wänden lauter mit mittelalterlich wirkendem Kopfputz verzierte Untote auf eine Art Altar mit Ähren und Federn – Schauplatz eines obskuren Voodoo-Kults?

Für starke Nerven

Das Gemälde, das zur Installation „Der Schlaf“ gehört und einen Frauenakt in der Tradition von Courbets „Origine du monde“ in eine Berglandschaft verwandelt, ist dagegen geradezu eine Explosion von Zipps staubtrockenem und bizarrem Humor. Die Collage „Je vois femme cachée dans la forêt“ (Ich sehe die Frau versteckt im Wald) wiederum zeigt ein Gerippe – der makabre Dada-Bildwitz ist nicht zuletzt aufgrund der drumherum gruppierten Männer mit tausend Augen äußerst suggestiv. Auf Dada und Surrealismus bezieht Zipp sich öfters, etwa wenn er Max Ernsts berühmtes Surrealisten-Gruppenbild verfremdet. Das führt auch in der „Black Dada Gallery“ zu eindrucksvollen Erscheinungen, in der das Bildnis des Atomphysikers Otto Hahn immer neu übermalt – und der Entdecker der Kernspaltung zum vielgestaltigen Ungeheuer wird.

Starke Nerven braucht man auch für „Dirty Tree Black Pills“ das aus 33 schwarzen Objekten besteht, die zugleich an Riesen-Pillen und an Bomben erinnern. Die passende Kulisse dafür bietet das Gemälde einer völlig leblosen und erschreckend erhabenen Fallout-Landschaft. Einer der wenigen Farbtupfer und Hoffungschimmer am Ende: Ein pausbäckig-roter hölzerner Apfel der Erkenntnis. Die beim erschöpft-verwirrten Betrachter nur zaghaft tröpfelt.

Roberta De Righi

Sammlung Goetz, Oberföhringer Straße 103, bis 2. Oktober, Mo – Fr 14 bis 18, Sa 11 bis 16 Uhr, nur nach telefonischer Anmeldung unter Tel.089/ 95939690

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