Das Starkino kommt

Martin Moszkowicz, Chef der Münchner Constantin, zieht die Bilanz eines schwierigen Jahres und gibt einen Ausblick auf Kinohoffnungen 2012
von  Britta Schultejans

Die Constantin hat kein einfaches Jahr hinter sich. Im Januar starb ihr bekanntestes Gesicht, Filmproduzent Bernd Eichinger. Im Interview spricht der Constantin-Vorstand Film und Fernsehen, Martin Moszkowicz, über die Firma ohne Eichinger, die Begrenztheit der deutschen Kinolandschaft, ein neues deutsches Star-Kino – und Eichingers letztes Projekt: den Film über Entführungsopfer Natascha Kampusch.

AZ: Herr Moszkowicz, das Kinojahr geht zu Ende. Wie war es denn rückblickend?

MARTIN Moszkowicz: Ein bisschen durchwachsen. Die Filme sind in diesem Jahr alle unter ihrem Potenzial geblieben. Wir hatten ja große Produktionen wie den zweiten Teil von „Wickie” im Programm oder „Die drei Musketiere”. So etwas hat unterschiedliche Gründe – zum Beispiel eine heiße Frühherbstperiode, in der die Leute lieber in den Biergarten gegangen sind als ins Kino. Außerdem ist die Aufmerksamkeit, die ein Film heute bekommen kann, allein dadurch schon geringer, dass gleichzeitig so viele Filme auf den Markt kommen, dass man sie gar nicht alle sehen kann. Das Geschäft verändert sich.

Was sind die Highlights im kommenden Jahr?

Ende dieses Jahres kommt „Blutzbrüdaz”, der Film mit Sido, ins Kino. Dann haben wir noch die Kinoversion von „Türkisch für Anfänger”, Doris Dörries „Glück” nach Ferdinand von Schirachs Bestseller und den neuen Rosenmüller-Film – diesmal keine Dialektkomödie. Und auch Sönke Wortmann hat einen neuen Film, den wir ins Kino bringen: „Das Hochzeitsvideo”. Er hat inkognito gedreht. Und „Resident Evil: Retribution”, mit noch mehr Action als im letzten Teil, sowie einen Kinofilm mit Kaya Yanar. Und das sind nur einige der 15 Titel, die wir 2012 ins Kino bringen werden.

Sie haben sich in den vergangenen Jahren verstärkt auf internationale Co-Produktionen konzentriert. Ist das die Zukunft?

Wir sehen auf dem internationalen Markt Wachstumschancen – nicht nur mit Co-Produktionen. Die Märkte in Russland oder auch Ländern Südamerikas wie Brasilien oder Mexiko wachsen gewaltig. Til Schweiger ist zum Beispiel in Moskau ein Superstar und das Interesse an lokalen, europäischen Stoffen wächst weltweit. Gerade in Russland gibt es ein großes, junges Publikum und überall werden große Kinos gebaut. In Deutschland ist die Constantin an ihre Grenzen gestoßen – nicht nur, was den wirtschaftlichen Erfolg angeht. Auch die kreative Basis ist hier begrenzt.

Was heißt das?

Die Filmhochschulen in Deutschland spülen immer neue Nachwuchs-Regisseure und Produzenten auf den Markt, aber das allein reicht nicht. Die klassischen Hochschulen – wie zum Beispiel die HFF in München – sind noch immer nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Moderne Filmtechniken werden nicht gelehrt und es gibt nur sehr wenig Kontakte zwischen Hochschulen und der Industrie. Das ist in allen anderen Branchen inzwischen völlig anders. Es gibt immer noch das verstaubte Konzept des Autorenkinos im Mittelpunkt der Lehre. Das ist ja schön und gut – aber damit lässt sich nicht nur kein Geld verdienen. Es bedeutet auch künstlerischen Stillstand und wenig Perspektiven für die Absolventen.

Geld lässt sich – inzwischen auch in Deutschland – vor allem mit bekannten Namen verdienen. Ein beliebter Schauspieler ist am ehesten Garant für volle Kassen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Ich bin froh, dass sich in Deutschland endlich Ansätze eines Star-Kinos entwickeln. Natürlich sind wir noch weit von Hollywood-Verhältnissen entfernt, aber es gibt tolle, junge „leading guys” – wie Alexander Fehling, Florian David Fitz, Matthias Schweighöfer natürlich oder Elyas M’Barek, der für mich einer der nächsten Superstars ist. Lange Zeit war es in Deutschland unter Schauspielern verpönt, intensive Werbung für einen Film zu machen. Ich freue mich, dass viele Schauspieler inzwischen eingesehen haben, dass das zu ihrem Job gehört.

Es ist jetzt fast ein Jahr her, dass Bernd Eichinger – für alle überraschend und schockierend – gestorben ist. Für viele war er das Gesicht von Constantin. Hat sich die Wahrnehmung der Firma verändert?

Der Tod von Bernd hat uns hier alle eiskalt erwischt. Man überlegt sich ja immer, was in Zukunft mit dem Unternehmen passieren könnte – und dann trifft man Vorkehrungen. Darauf aber konnte man sich nicht vorbereiten. Das hat uns hier allen erstmal den Boden unter den Füßen weggerissen. Eine Persönlichkeit wie Bernd Eichinger ist unersetzbar. Dennoch war Bernd ja in den letzten Jahren nicht mehr der „Chef” von Constantin, sondern ein Produzent, der sich in erster Linie um seine eigenen Projekte gekümmert hat. An vielen großen Erfolgen der letzten Jahre wie „Wickie”, „Die Welle” oder „Die Päpstin” war er gar nicht beteiligt. Dennoch fehlt der Constantin sicher ihr bekanntestes Gesicht.

Was ist von Bernd Eichinger geblieben in der Constantin?

Er hatte eine instinktive filmische Intelligenz, die die Firma geprägt hat, und was er uns allen hier vermittelt hat, ist die grenzenlose Begeisterung fürs Kino. Und die bleibt.

Und was ist mit seinem letzten Projekt, dem Film über Natascha Kampusch?

Der geht 2012 in die Produktion. Wir haben das Drehbuch, das Bernd zu zwei Dritteln fertig hatte, vollendet. Derzeit laufen gerade die Castings. Sherry Horman führt Regie – es wird die Crème de la crème des deutschsprachigen Films dabei sein, drehen wollen wir unter anderem in München und Wien. Wir haben unendlich viele Anfragen zu dem Film – auch aus dem Ausland.

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