Das müssen Sie sehen! Ungelogen!

Bastian Kraft bringt Thomas Manns „Felix Krull” pfiffig inszeniert ins Volkstheater
Michael Stadler |
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Ein Hochstapler ist ein hochfliegender Geist, einer, für den der wahre Grund der Dinge eine Gefahr für die Lügenexistenz bedeutet. Kein Wunder, dass die jungen Herren, die alle drei behaupten, Felix Krull zu sein, auf der Kleinen Bühne im Volkstheater lange Zeit den Boden der Tatsachen buchstäblich nicht berühren wollen.

Drei an der Decke befestigte Rahmen, beleuchtet durch farbwechselnde LEDs, hat Anna van Leen aufgebaut, und darin stehen sie, weißes Hemd, schwarzer Anzug, Schaumschläger, wie man sie aus dem Fernsehen kennt, und moderieren rückblickend durch ihr Leben, das auch das der anderen sein könnte.

Es ist alles eine Frage der Fügung, der Klamotten, des schönen Scheins, den man sich gibt. Für die Glamour-Stadt München ist dieser „Felix Krull” mit seinem gelackten Charme und eleganten Esprit genau die richtige Inszenierung. Seine Lust am Konzept, an der Bildmetapher hat Regisseur Bastian Kraft schon mit „Dorian Gray”, heuer eingeladen bei „Radikal jung”, bewiesen. Hier bleiben die Schwindler erstmal im Rahmen ihrer Möglichkeiten.

Wobei das visuelle Konzept, in das Pascal Fligg, Nicola Fritzen und Justin Mühlenhardt eingespannt sind, ein recht weites Spielterrain aufmacht. Aus den Daseinskästen können Fahrstühle oder Zugabteile werden. Das Boden-Tabu macht Kabinettstückchen nötig: mit dem Mikro nach heruntergeworfenen Jacketts angeln oder an Deckenrohren hangelnd doch die Positionen wechseln – in einen anderen Rahmen.

Der Mann’sche Bekenntnis-Text wurde klug auf die amüsanten Anekdoten entschlackt. Krulls Kindheitserinnerungen, sein vorgetäuschter epileptischer Anfall bei der Musterung, seine Beziehungen zu Lords und reichen Damen. Im Rollenwechsel spielt das Trio auch die Satelliten, die um Krull kreisen. Der Narziss sieht ja sowieso in jedem nur sich selbst.
Was für eine Schwindel erregende Idee Kraft zuletzt eingefallen ist, um Manns unvollendete Geschichte weiterzuspinnen, dabei die Länge der Aufführung dem Geschick seinen spielfreudigen Darstellern zu überlassen und vor Augen zu führen, wie das Lügengebäude immer mehr zu kippen droht, je länger man fantasiert – das soll hier nicht verraten werden. Diese pfiffige Inszenierung müssen Sie schon selber sehen! Ungelogen.

Nächste Vorstellungen, 21., 22., 23. Juni im Volkstheater, Tel. 523 46 55

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