Das Metropoltheater zeigt "Post von Karlheinz"
Auf der Bühne stehen aufgereiht vier schwarze Stühle, vier höhenverstellbare Notenständer. Thorsten Krohn, Thomas Schweiberer und Lucca Züchner kommen herein, in schwarz gekleidet, seriös. Das Sprech-Chor-Kanon-Geschrei kommt unerwartet. "Kamelficker!", tönt es da. Und: "Drecks Moslem!" Oder: "Bilde dir nicht ein, ein vollwertiges Mitglied der deutschen Gesellschaft zu werden!"
Lacher, wo Schauder angemessen wäre
Jochen Schölch bringt im Metropoltheater Hasnain Kazims Buch "Post von Karlheinz. Wütende Mails von richtigen Deutschen" auf die Bühne. Der Journalist dokumentiert darin die Hassmails, die er regelmäßig bekommt. Und seine Antworten darauf. Weil er sich in seinen Texten gegen Rassismus und Gewalt stellt, weil sein Name "fremd klingt", erlauben sich erschreckend viele Menschen in diesem Land, "verbal auf ihn einzuprügeln".
Dieser Hass auf "Andersglaubende, Andersaussehende, Andersliebende und Anderslebende" ist nichts Neues. Kazim selbst bekam seine ersten Hassbriefe Anfang der 1990er-Jahre, nachdem er mit 17 Jahren in einer Tageszeitung einen Bundestagsabgeordneten kritisiert hatte, der vor einer "Überfremdung" Deutschlands warnte.
Der Rassismus wird schamlos
Seitdem hat sich nur eines geändert, das aber gravierend: Wo ein echter Brief einiges Engagement verlangte, ist der Hass heute via Internet ganz einfach in die Welt gesetzt. Wie schnell kann da einer "seiner Wut freien Lauf lassen", wie schnell ist eine Meinung "hingekotzt". Und wer da pöbelt und wütet, schämt sich häufig nicht für seinen Rassismus und seine Menschenverachtung. Nicht selten unterzeichnen die Verfasser mit ihrem vollen Namen, sind stolz auf ihre Haltung. Kazim wollte das alles nicht mehr schweigend akzeptieren, also begann er, auf die E-mails zu antworten.
Im Metropoltheater spielt Bijan Zamani den Autor. Er stellt sich ebenfalls an einen der Notenständer, mischt sich unters Volk. Die anderen drei schlüpfen also in die Rollen der Email-Schreiber, sprechen mal als "Heinz K.", als "Maria gegen Scharia", "Siegfried Drachentöter", "Deutschlaender1933" oder "HermannTheGerman". Kazim erklärt ihnen die Welt. Mal argumentiert er, mal karikiert er, mal greift er die Vorurteile der anderen auf und treibt sie auf die Spitze. Wo die anderen pauschal draufhauen, differenziert er. Wirklich sympathisch macht ihn dieser Oberlehrer- und Gscheidhaferl-Duktus leider nicht: "Ich weiß, die Welt ist kompliziert. Aber wir können uns keine einfachere basteln. Auch wenn Ihre geliebte Volksmusik das suggeriert", erklärt er beispielsweise Marianne M., die gegen die Vielehe und somit gegen Moslems ist.
Alles ist zu eindeutig
In diesem Debattentheater ist Kazim immer der Gewinner. All die Beleidigungen und Angriffe prallen scheinbar wirkungslos an ihm ab. Zamani steht überlegen im Zentrum dieses Shitstorms, nicht ein Mal kratzt all der Hass auch nur an seiner Oberfläche. Nicht ein Mal spürt man so etwas wie Erschütterung oder gar Angst. Dabei sind diese Texte durchaus erschreckend. Was die Verfasser derselben da vom Stapel lassen, ist harter Tobak. Nicht nur der Mord an Walter Lübcke 2019 hat gezeigt, dass auf verbalen rechten Hass auch Taten folgen können.
Aber vielleicht ist die Dramaturgie der Vorlage einfach zu eindimensional, um einen spannenden Theaterabend daraus zu gestalten. Gut und Böse sind hier eindeutig identifizierbar, die Mechanismen von Aktion und Reaktion sind schnell durchschaut. Es ist - leider auch in der Realität - ein nie endendes Spiel, das auf der Bühne etwas ermüdet. Hie und da überrascht eine besonders abstruse Wendung in der Dialogführung, eine besonders abwegige Reaktion. Tendenziell aber verlieren die E-mails an Schärfe, wenn ihre Schreiber als wütende Neandertaler dargestellt werden. Keiner von ihnen ist der Argumentation von Kazim gewachsen, der Schrecken verliert sich immer wieder in Klamauk.
An Deutschland arbeiten
Der reale Hass aber ist gefährlicher, nicht alle Wütenden sind dumm. Dass nicht wenige dieser Dialoge mit einer Einsicht und Bekehrung der Verfasser endet, mit einem "Wieder was gelernt" oder einem freundlichen Gruß, ist wenig glaubwürdig. Leider verharmlost dieser Abend, setzt auf Lacher, wo Schauer gefragt wären.
Ganz am Ende steht ein ruhiger Dialog mit einem freundlichen Briefeschreiber (auch die gibt es). Auf einmal sind da eine Konzentration und Ernsthaftigkeit, die lange gefehlt haben. Und dem hier folgenden Fazit schließt man sich gerne an: "Arbeiten wir dafür, dass Deutschland ein tolerantes, freundliches, tolles Land bleibt!"
Metropoltheater, Floriansmühlstraße 5 (Freimann), wieder am 18., 19., 20. und 27. Dezember und im Januar, Infos und Karten unter www.metropoltheater.com
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