„Das Massaker von Katyn“ - Beispielloser Massenmord
„Das Massaker von Katyn“ wurde 2008 als bester fremdsprachiger Film für den Oscar nominiert. Dem polnischen Regisseur Andrzej Wajda ist ein erschütterndes Kriegsdrama gelungen
817. September 1939, eine Frau schiebt sich mit ihrem Fahrrad, auf dem ihre kleine Tochter sitzt, in einem Menschenpulk über eine Brücke. Plötzlich kommen Menschen von der anderen Seite angerannt. „Wo wollt ihr alle hin? Hinter uns sind die Deutschen, ihr müsst umkehren!“ „Die Russen sind einmarschiert“, kommt es zurück. Entsprechend des geheimen Zusatzprotokolls des „deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts“ begann an diesem Tag die sowjetische Besetzung Ostpolens.
Eingeschlossen von der deutschen Wehrmacht und der roten Armee – die Anfangsszene aus „Das Massaker von Katyn“ symbolisiert die Aufreibung Polens. Die Frau auf dem Fahrrad, Anna, ist durch halb Polen gefahren, um ihren Mann, den Offizier Andrzej zu suchen. Sie findet ihn, fleht ihn an, mit ihr zu gehen, aber er bleibt seinem Fahneneid treu. Anna wird Andrzej nie wieder sehen, so wenig wie die Generalsfrau ihren Ehemann. Der General und der Offizier werden, mit Tausenden anderen Kriegsgefangenen, in den Wäldern von Katyn grausam hingerichtet und verscharrt. Auch wenn der polnische Regisseur Andrzej Wajda die Hinterbliebenen der Ermordeten von Katyn bisweilen zu typenhaft aussehen lässt, ist ihm ein tief beeindruckendes Zeugnis über das beispiellose Kriegsverbrechen gelungen. Eine der stärksten Szenen: Die Generalsfrau muss sich einen deutschen Propagandafilm ansehen, in dem der Blick auf die Leichenreihen in Katyn erstmals freigegeben wird.
Mit schnarrender Stimme wird das Massaker hier den Sowjets zugeschrieben. Nach Kriegsende behaupten die Russen, die Deutschen hätten den Massenmord verübt. Wer sich in Polen weigert, das zu glauben, wird umgebracht. Erst 1990 räumt Gorbatschow die Alleinschuld der Russen an dem Massaker ein, 1992 erhält Polen die Akte, in der die Exekution der Kriegsgefangenen angeordnet worden war – unter anderem von Stalin. Hoffentlich rütteln die letzten zwanzig Minuten des Films, in denen die Männer, zitternd und betend, einer nach dem anderen in den Hinterkopf geschossen werden, am internationalen Gewissen. Denn die restlose Aufklärung des Mordes an mehr als 10000 polnischen Kriegsgefangenen ist überfällig.Anna Sennefelder
Kino: Neues Arena
R: Andrzei Wajda
(Polen, 118 Minuten)
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