Das kurze pralle Leben
Die Hypo-Kunsthalle präsentiert „Frans Hals und Haarlems Meister der Goldenen Zeit“
Haarlems Goldenes Zeitalter im 16./17. Jahrhundert währte nicht lange. Schuld am Niedergang der Stadt der Brauer, Tuchbleicher und Maler war nicht nur der Boom des benachbarten Amsterdam, sondern auch das bald billigere deutsche Bier.
Doch für 50 Jahre prosperierten zwischen 1590 und 1640 Gewerbe, Handel und die Künste. Dass das pralle Leben im barocken Haarlem und seine Bewohner bis heute zu bestaunen sind, ist der bildlichen Überlieferung durch die dort ansässigen Meister zu verdanken: In den Bauern- und Wirtshausszenen Brouwers und der Ostades (mit Appell an die Moral), den Landschaften van Goyens und der beiden Ruisdaels (mit herrlich hohem Himmel), den realitätsgetreuen Intérieurs Sanraedams und den Porträts von Frans Hals (1581-1666).
Hochkarätige Leihgaben
Für eine kurze Spanne gilt Haarlem als Ort künstlerischer Innovation. Die neue Ausstellung in der Hypo-Kunsthalle nimmt die nach Hollands Abspaltung von den spanischen Niederlanden vorübergehend heile Welt in den Focus. Als die Straßen übersichtlich, die Häuser gepflegt, die großen Kirchen weit sichtbar waren. Und jeder Bürger, der auf sich hielt, seinen Platz in der Gesellschaft fand. Es ist eine sehenswerte, plastische Schau, die nicht nur dank Plänen und Ansichten, sondern vor allem durch rund 130 hochkarätige Leihgaben, darunter viele Hals-Gemälde, besticht.
Fast das halbe Museum in Haarlem wurde leergeräumt und bis auf die Größtformate nach München verfrachtet. Etwa die berühmten Gruppenbildnisse mit den Regent/innen des Altmännerheims: Nach dem auch heute gültigen Motto „Tue Gutes und lass’ dich dabei ablichten“ posierten die feinen Leute ernst als Vorsteher von Armen-, Waisen-, Krankenhäusern. Gegenüber trifft man auf Hals’ frühesterhaltenes Porträt des 77 Jahre alten, höchst vitalen Jacobus Zaffius (1611). Nebenan schaut der ganzfigurig-imposante Willem van Heythuysen aus der Alten Pinakothek auf den Betrachter herab.
Markenzeichen - kühn eingesetzt
In der Fülle kann man Hals’ schnellen, lockeren, im Farbverbrauch sparsamen Pinselstrich studieren. Und im Alterswerk „Mann mit Schlapphut“ wird deutlich, wie kühn er schließlich sein Markenzeichen einsetzte. Was die Lebendigkeit seiner Protagonisten noch steigerte – und warum ihn später Monet und Liebermann so bewunderten.
Im protestantisch-bilderfeindlichen Holland waren Stillleben und Landschaften beliebte Motive. Wie fragil und vergänglich der Wohlstand der Blütezeit war, verdeutlichen die Stillleben von Claesz und Heda: Kostbare Gläser und goldene Schalen mit exotischen Früchten – aber alles steht so da, als ob es im nächsten Moment herunterfällt.
Roberta De Righi
Bis 7. Juni, täglich 10 bis 20 Uhr, Katalog (Hirmer) 25 Euro