Das Kunstlied ganz natürlich
Manche Sänger erzählen sozusagen im Ohrensessel von der vergeblichen Liebe des Müllergesellen. Daniel Behle verzichtet auf das Sicherungsnetz gemütlicher Distanz: In seiner Sicht ist jedes Lied im Augenblick unmittelbar heftig erlebte Gegenwart.
Das reißt mit. Die ersten Hörer klatschten schon nach dem kraftvoll ins ausverkaufte Cuvilliéstheater geschleuderten „Das Wandern ist des Müllers Lust”. Hier und später schärfte der exzellente Pianist Sveinung Bjelland den Rhythmus und beschleunigte Schuberts Tempowünsche wie „Eher geschwind” in „Ungeduld” zum ungeduldigen Prestissimo.
Behle und sein Begleiter trieben das Biedermeier der „Schönen Müllerin” durch nervös-moderne Zeitgenossenschaft aus. Das hat viel für sich. Es passt auch hervorragend zur Stimm-Charakteristik eines Tenors. Beim sehr eiligen „Jäger” litt allerdings die Textverständlichkeit, und dass es sich um eine wütende Beschimpfung handelt, kam nicht heraus.
In „Der Müller und der Bach” unterschlug Behle das Zwiegespräch zweier Figuren. Dennoch: Die musikalische Feinarbeit wurde trotz aller jugendfrischen Unmittelbarkeit nicht unterschlagen. Es hat viel für sich, wenn ein Sänger den bitteren Hohn in „Die liebe Farbe” ohne forcierte Übertreibung ausschließlich mit musikalischen Mitteln und mit Geschmack gestaltet.
Für die Zugabe „Auf dem Strom” stieß noch der vorzügliche Hornist Ab Koster hinzu. Lyrismus und Männlichkeit sind bei Behle perfekt im Gleichgewicht.
Kein deutscher Tenor singt Kunstlieder derzeit natürlicher. Deshalb sollten sich alle Freunde vokaler Kammermusik schleunigst um Karten für die „Dichterliebe” umsehen, die der gebürtige Hamburger Mitte April im Prinzregententheater singt.
Daniel Behle singt Schumanns „Dichterliebe” am 14. April im Prinzregententheater, Karten unter Tel. 8116191