Das Instrument verstummt

Gisela Stein, eine der großen deutschen Schauspielerinnen und Münchner Theaterlegende, starb im Alter von 74 Jahren
von  Abendzeitung

Gisela Stein, eine der großen deutschen Schauspielerinnen und Münchner Theaterlegende, starb im Alter von 74 Jahren

Sie hatte sich in den letzten Jahren schon sehr zurückgezogen, doch die von ihr gespielten Frauen bleiben unvergesslich. Gisela Stein, die am Montag im Alter von 74 Jahren in ihrem Haus an der Ostsee starb, war eine der ganz großen deutschen Schauspielerinnen.

1980 hatte sie Dieter Dorn aus Berlin zu den Kammerspielen nach München gelockt. Er blieb über Jahrzehnte ihr liebster Regisseur, der Mann, mit dem sie ihre Theaterkunst verband. Vertrauen war immer die Grundlage für ihre Kunst – von Shakespeares Olivia bis zu den deutschen Anti-Heldinnen bei Botho Strauß.

Auch ihre Glanzrollen der letzten Jahre gab sie bei Dorn am Bayerischen Staatsschauspiel: Als Chorführerin in „Die Bakchen“ und als Lissie in „Die eine und die andere“ von Botho Strauß.

Theaterkämpfe

Dann begann der Abschied: „Ich kann nicht mehr, ich bin krank“, sagte Gisela Stein ganz unverblümt im Dezember 2006 im Theaterforum. Es waren die Spätfolgen eines schweren Unfalls, der die Schauspielerin 1983 für ein Dreivierteljahr in den Rollstuhl zwang – und ihr Jahrzehnte später noch zu schaffen machte.

Sie hatte in Berlin und Zürich mit Piscator, Lietzau, Kortner, Sellner und Zadek gearbeitet – bis Dorn ihr „Schicksalsregisseur“ wurde. „Wir haben uns getroffen wie ein Topf mit seinem Deckelchen“, erzählte die in Swinemünde geborene Schauspielerin. Bei den Proben gab’s dennoch oft „laute Kräche, wir haben immer miteinander gekämpft“.

Ein Instrument des dichterischen Worts

Gisela Stein wurde verehrt für ihren „hohen Ton“, doch solche Etiketten schätzte sie nicht. Sie bezeichnete sich selbst im AZ-Interview ironisch als „Linguistik-Tante“. Sie liebte die Sprachgenauigkeit und verachtete Konzepttheater. Sie fand es anmaßend, einem Stück Regie-Erfindungen überzustülpen. „Ich habe mich immer hinter das Stück zurückgestellt“, sagte sie über ihre Haltung. „Ich bin das Instrument für den Dichter und sonst nichts.“

Fast 30 Münchner Jahre haben sie trotzdem nie ganz mit Bayern versöhnt. Sie fühle sich immer „ein wenig eingeengt“, gestand Gisela Stein, das Kind der Küste. Sie übte ihren Beruf immer mit höchster Disziplin aus. Doch in den letzten Jahren hegte sie Zweifel an der Profession: „Wenn es mit unserer Gesellschaft so weitergeht, dann wird sich das Theater selbst ins Aus manövrieren. Wir müssen es wieder kleiner machen. Die Bildung, die da den meisten vorgeschrieben wird, das mögen die jungen Leute nicht.“

AZ

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.