Das Hirn trainieren

Vielleicht die beste Rolle des Vielspielers: Günther Maria Halmer glänzt als nicht ganz leicht zu durchschauender Demenzkranker im neuen Sonntags-„Tatort" des Bayerischen Rundfunks
Angelika Kahl |
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Schwere Themen hat sich der neue Münchner „Tatort” gesucht: Altersdemenz und Pflegenotstand. Vor vier Wochen erst hat sich Gunter Sachs im Alter von 78 Jahren aus Angst vor Alzheimer das Leben genommen. Experten rechnen damit, dass bald rund zehn Prozent aller Menschen über 70 Jahren von der Krankheit betroffen sein werden. Doch Günther Maria Halmer verleiht dem Krimi „Gestern war kein Tag” Leichtigkeit und Würde. Er spielt den Glasmeister Max Lasinger, der rund um die Uhr Betreuung braucht, die sich die Familie auf legalem Weg nicht leisten kann. Als Lasingers Sohn Bernd erschlagen in der Glaserei liegt, habe er ihn für einen Einbrecher gehalten, erzählt er den Hauptkommissaren Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl). War es also Notwehr?

AZ: Herr Halmer, ist die Rolle eines Demenz-Kranken schauspielerisch eine große Herausforderung?

GÜNTHER MARIA HALMER: Ja, ich habe mir anfangs mit der Entscheidung schwer getan. Denn ich hatte vor Szenen Bedenken, in denen ich womöglich in die Hose pinkeln oder nackt im Bad stehen und mich waschen lassen sollte. Aber letztendlich waren diese Bedenken viel kleiner als der Reiz und die Herausforderung, diese Rolle zu spielen.

Wurde auch bewusst darauf geachtet, dass der Krimi keinen Voyeurismus bedient?

Ja, und dass das geklappt hat, liegt zu einem großen Teil auch an der Sensibilität von Regisseur Christian Görlitz. Er ist ein studierter Psychologe und hat der Figur ihre Würde nicht genommen. Einem jüngeren Regisseur wäre es vielleicht nur um möglichst spektakuläre Szenen gegangen.

Hat Sie das Thema Demenz schon vor dieser Rolle beschäftigt?

Klar, wenn man älter ist, bleibt das nicht aus. Schließlich kennt man Menschen, sei es in der Verwandtschaft oder im Freundeskreis, die daran erkrankt sind. Von Alzheimer habe ich das erste Mal im Zusammenhang mit Rita Hayworth gehört, von der es damals noch hieß, sie sei wahnsinnig geworden. Inzwischen aber ist die Krankheit so in aller Munde, dass man schon fast das Gefühl hat, man müsse sie ab einem gewissen Alter automatisch bekommen.

1,2 Millionen Menschen leiden in Deutschland an Demenz…

…und das macht nicht nur betroffen, sondern vor allem auch Angst. Vergisst man mal einen Namen, fragt man sich doch sofort: „Ist das jetzt der Anfang?”

Der Film zeigt das Dilemma, dass sich kaum eine Familie die Pflege eines dementen Angehörigen leisten kann. Können Sie es verstehen, wenn diese auf illegale Pflegekräfte zurückgreift?

Natürlich, dazu werden die Familien doch regelrecht gezwungen. Diese Kranken brauchen eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung, die ein Vermögen kostet. Das Leben mit ihnen ist eine permanente Überraschung. Sie büchsen mitten in der Nacht aus oder haben plötzlich, wie in unserem Krimi, eine totale Panik vor dem Mann auf dem Fernsehbildschirm. Ich kann wirklich niemandem einen Vorwurf machen, wenn er auf illegale Krankenpflege zurückgreift.

Sie haben zwei erwachsene Söhne. Haben Sie mit ihnen besprochen, was im schlimmsten aller Fälle mit Ihnen geschehen soll?

Nein. Ich glaube auch, dass meine Söhne das Thema mit einem Witz abtun würden. Ich kann nur versuchen, dem vorzubeugen. Gerade habe ich Theater gespielt – auch um mein Hirn zu trainieren.

Sie halten sich also bewusst geistig und körperlich fit?

Ja, ich jogge auch und gehe viel spazieren.

Und gerade waren Sie mit Ihrer Frau auf Weltreise…

Wir wollten ursprünglich auch unbedingt nach Japan. Aber aufgrund der schrecklichen Katastrophe ging das nicht. Also waren wir in den acht Wochen auf den Malediven, in Sri Lanka, Bangkok, Hanoi, Los Angeles, Las Vegas und New York.

Sie sind seit 35 Jahren verheiratet, ist ein Geheimnis Ihrer glücklichen Ehe auch, dass Sie sich immer wieder Zeit für solche gemeinsamen Unternehmungen nehmen?

Natürlich versucht man, möglichst häufig zusammen zu sein, damit man sich nicht entfremdet. Aber es gibt ja auch gute Ehen, in denen sich die Partner gar nicht oft sehen. Da gibt es keine Regeln. Ich habe einfach das große Glück, den richtigen Partner gefunden zu haben. Es überrascht mich wirklich, dass die Frage immer wieder kommt. Früher war eine lebenslange Ehe nichts Besonderes. Heute habe ich das Gefühl, man muss sich schon fast dafür entschuldigen, wenn man seit 35 Jahren verheiratet ist.

Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

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