Das Glitzersternchen bleibt dran
Tiefe und frivoler Schwung: Geschichts- Revue „Joséphine“ im Zelt des Deutschen Theaters in Fröttmaning
Der alte Blueser James Campbell sitzt anfangs als Onkel Tom nicht mehr vor seiner Hütte, sondern im Schlauchboot – vorne links vor der Bühne im kleinen Bassin. Er gibt ein wenig zu viel Zeigefinger-Nachhilfe in Heimat- und Sachkunde in Sachen Sklaverei und Jazz.
Im Hintergrund der Bühnenwand ziehen Dokumentarfilmaufnahmen von New Orleans vorbei – nicht vom Vieux Carré, dem berühmten French Quarter, sondern von den Wohnvierteln, verwüstet vom Hurrikan Katrina.
Eine biografische Revue
Das ist der zeitgeschichtliche Anker für Jérôme Savarys Recherche nach „Joséphine“. Denn von New Orleans aus erzählt er die Geschichte des Jazz und eines Showstars, der vom Armenviertel in Saint Louis aus nicht das rassistisch-puritanische Amerika, aber dafür den Rest der Welt eroberte: Joséphine Baker.
Die Amerikanerin Nicolle Rochelle verkörpert sie so lebens-sprühend, mondän, aber auch Faxen machend und stimmlich unbändig mädchenhaft echt, dass man heute noch spürt, wie die junge Joséphine mit 19 Jahren in der Pariser „Revue Nègre“ 1925 den Nerv der Zeit traf.
Für eine kurze Periode schien der Nationalismus nach dem Ersten Weltkrieg besiegt. In jungen Republiken gärte eine unkonventionelle Vergnügungssucht. Zwischen Bohème und großbürgerlicher Verschwendungssucht tanzten die Goldenen Zwanziger in vielen Städten bis zum Morgengrauen.
Eine perfekte Show
Mit Tiefe, einem fantastisch schillernden Conférencier (Slap Goldman) und frivolem Schwung ist „Joséphine“ eine der besten Shows seit langem (siehe auch Leute, Seite 22). So springen bei Nicolle Rochelles Auftritt auch 80 Jahre später noch die Zuschauer unter Begeisterungsrufen auf, verführt vom „Danse Sauvage“ und Bananen-Tutu, von viel Haut und viel Federn – mit der witzigen Einschränkung, dass Rochelles Busen immer noch ein kleiner Glitzerstern bedeckt, während die Baker natürlich auch nackt auftrat.
Adrian Prechtel
Deutsches Theater, Fröttmaning, bis 19.7., Di – Sa 20 Uhr, So 19 Uhr, Tel. 55234 444 / www.abendzeitung.de
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