München queer: Das neue Festival "Go drag! Munich"
Der "Ruby Tuesday", besungen 1967 von den Stones, ist kein melancholischer Dienstag. Es geht um eine Frau, die in ihrem großen Unabhängigkeitswillen von Keith Richards nicht bei der Stange gehalten werden kann.
Und so steht Ruby Tuesday jetzt im HP8 und stellt das Programm von "Go drag! Munich" vor. Wenn man die Kuratorin - etwas naiv und sanft ironisch - am Ende der Vorstellung fragt, ob man denn zur Einstimmung auf das Festival Anfang Mai ein Glossar der Fachwörter brauche, zieht Ruby Tuesday ihre hart geschminkte Augenbrauenlinie süßsauer nach oben: Was man denn nicht verstanden hätte?

Drag-Kings sind Drag-Queens nur umgekehrt
Zum Beispiel das mit den "Drag-Kings", die eine große Rolle bei den Veranstaltungen spielen sollen. Das käme doch von Shakespeare, wo Frauen auf der Bühne noch verboten waren. Deshalb hatte Shakespeare bei der Rollenanweisung "drag" angemerkt: "dressed as a girl" - also ein als "Mädchen/Frau verkleideter Mann. Und wenn der sich königlich herausputze, käme halt eine Drag-Queen heraus. Aber ein Drag-King? "Einfach umgekehrt: eine Frau, die sich als Mann stylt." Aber Flamboyant. Denn Ruby Tuesday steht wie ein fantastischer Zirkusdirektor da auf der Präsentationsbühne neben Domink Krause, dem Zweiten Bürgermeister und Schirmherrn des Festivals.
Eine Mischung aus Hoch- und Subkultur
Fünf Tage lang, ab 1. Mai, gibt es dann 30 Veranstaltungen, die "Glitzer, Glamour, Tiefgang und Tragik" versprechen und weit über die LGTBQ-Community hinaus und tief in die Münchner Stadtgesellschaft hineinwirken sollen, wie Krause es formuliert: "durch eine Mischung aus Hoch- und Subkultur."

Für Judith Huber, künstlerische Leiterin des Pathos und Schwere Reiter, ist klar: "Nicht alles muss Mainstream sein oder werden. Es geht um Akzeptanz - und auf dem Festival auch um Spaß und Ernst."
Die Drag-Kings werden den Drag-Queens also nicht an den Kragen gehen. Und im Stück "H to he" am Freitag, 3. Mai, verwandelt sich die Engländerin Claire Dowie innerhalb einer guten Stunde Textmonolog und Reflexion von einer Frau in einen Mann.
Diesmal ist Nathan der Weise "in the box"
Die Berlinerin Bridge Markland hat selbst schon viele Drag-Festivals veranstaltet und kommt auch mit ihrem kompakten Konzept "In the box" nach München. Zur Einstimmung spielt sie gleich mal zehn Minuten aus "Nathan" vor: Selbst verkleidet als abgerissener Tempelritter hat sie Nathan den Weisen als Puppe in der Hand.
Vom Band ertönt eine wunderbar dynamische Klassikeraufnahme, zu der Bridge den Mund bewegt und durch die Zuschauerreihen geht, um Lessings Drama von 1779 ganz nah und intensiv an uns heranzubringen. "Nathan in the box" wird am 5. Mai, um 18 Uhr, im HP8 das Festival abschließen.

Hundert kurze Einspieler klassischer Musik und Pop
Ein Clou der Inszenierungen von Bridge Markland ist, dass die stark kondensierte Handlung von rund hundert kurzen Einspielern klassischer Musik und aktueller Pop- und Rap-Songs mitgetragen und transportiert wird.
Die hier sehr unterhaltsam und doch ernst performten Themen Frieden und Toleranz haben Gegenstücke in vier Kabarettshows des Festivals. Und die Kunsthalle ist mit einer abendlichen "Drag-Führung von Perry Stroika" durch die Mode-Kunstausstellung "Viktor & Rolf" beteiligt (4. Mai).

Am gleichen Tag ist die Münchner Wahlberlinerin Cora Frost als Peter Frost mit der rockigen Konzert-Show "Love Me" im Schwere Reiter. Und wer sich am Ende des Festivals inspiriert neu ausstatten will: Am Sonntag, 5. Mai, ist ein ganztägiger Drag-Flohmarkt auf dem Pathosgelände (Dachauerstraße beim Leonrodplatz) geplant.
Das Festival "go drag! Munich" ist vom Mittwoch, 1. bis Sonntag, 5. Mai mit 30 Veranstaltungen an zehn Orten in München. Weitere Informationen unter www.godragmunich.de oder www.pathos.theater.de
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