Das Ende der Selbstjustiz

„Gran Torino“: Clint Eastwood in seinem anrührenden Film als geläuterter Konservativer
von  Abendzeitung

„Gran Torino“: Clint Eastwood in seinem anrührenden Film als geläuterter Konservativer

Dies ist ein Film, den man wieder und wieder sehen möchte, voller Kraft, Intelligenz, beiläufig-lakonischem Witz und wahrhaftigem Gefühl. Ein Film von Clint Eastwood eben, und seit seinem „Million Dollar Baby“ übernahm er auch wieder die Hauptrolle. Wunderbar selbstironisch spielt Eastwood mit seinem Haudrauf-Image von „Dirty Harry“, „Erbarmungslos“ den zynisch-vereinsamten Helden, der sich sein Recht holt, und sei es mit Gewalt.

Dieser Koreakriegsveteran Walt Kowalski ist ein unangenehmer Zeitgenosse, ein ultrakonservativer Patriot und Rassist, ein sturschädeliger Rentner, dessen Grundgefühl Verächtlichkeit heißt. Walt verachtet alles und jeden, vor allem die Asiaten, „Nigger“ und Latinos, die sich in der einst properen Vorstadtsiedlung von Detroit breitgemacht haben und die Häuser verkommen lassen. Mit seiner Frau hat er den einzigen Menschen verloren, den er geliebt hat. Nun steht er mit versteinerter Miene an ihrem Sarg, würdigt die Trauergäste, die beiden Karrieresöhne, die verzogenen Enkel keines Blickes.

Betörende Intensität

50 Jahre lang hat er in der Autofabrik gearbeitet, nun bestehen seine einzigen Vergnügen daraus, seinen 1972er Gran Torino in der Garage zu wienern, auf der Veranda seines Hauses unter der amerikanischen Flagge Bier zu trinken, mal Hund Daisy zu kraulen. Die Flinte griff- und schussbereit, wenn jugendliche Bandentypen Ärger machen. Ein einsames Dasein, in das eines nachts der 16-jährige vietnamesische Nachbar Thao (Bee Vang) stolpert. Seine kleinkriminellen Cousins haben ihn gezwungen, Walts Auto zu stehlen. Das verhindert Walt ebenso wie Übergriffe der Gang – und wird unfreiwillig zum Helden des Viertels. Besonders dankbar sind Thaos Mama und die kluge Schwester, laden auf der Veranda Blumengestecke und Töpfe voller asiatischer Köstlichkeiten ab, die Walt im Müll entsorgt. Als er es akzeptiert, dass der Junge zur Rettung der Familienehre ihm bei allerlei Reparaturarbeiten hilft, beginnt Walts Seelenpanzer allmählich aufzubrechen.

Das sind kleine Alltags-Szenen von betörender Intensität, still komisch und anrührend. Walt versucht, Thao „zum Mann“ zu machen, indem er ihm Macho-Rituale beibringt. Walt entdeckt aber auch, dass er noch nicht zu verknöchert ist, dazuzulernen, Vorurteile zu revidieren, ein Miteinander zu schätzen. Und zu einem besonderen Anlass darf Thao sogar hinters Steuer des Gran Torino. Die beginnende Idylle wird jäh beendet. Denn die vietnamesische Gang will sich an Thaos Familie und vor allem an Walt rächen. Die Gewalt eskaliert, und Walt trifft eine Entscheidung, die er vorher nie in seinem Leben für möglich gehalten hätte.

Bis zur letzten Minute (Jazzfan Eastwood singt mit rauer Stimme einen Song, den sein Sohn Kyle komponierte) ist dieser unangestrengte Film einer melancholischen Läuterung eine einzige Bereicherung für den Zuschauer. Ein echter Eastwood eben.

Angie Dullinger

Kino: Mathäser, MaxX, Münchner Freiheit, Royal, Sendlinger Tor, Atlantis in OmU, Cinema in OV (USA, 115 Min.)

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