Das Bessere ist der Feind des Guten

Gelungener Coup im Nationaltheater: Kirill Petrenko, Wunschkandidat von Musikern, Publikum und Presse, kommt 2013 als Nachfolger von Kent Nagano an die Bayerische Staatsoper
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Gelungener Coup im Nationaltheater: Kirill Petrenko, Wunschkandidat von Musikern, Publikum und Presse, kommt 2013 als Nachfolger von Kent Nagano an die Bayerische Staatsoper

Es war wie an Weihnachten: Alle warteten vor einer geschlossenen Tür auf den Zukünftigen. Zur Steigerung der Spannung fehlte noch das Namenschild auf dem Tisch, an dem der neue Generalmusikdirektor mit dem Intendanten Nikolaus Bachler und Kunstminister Wolfgang Heubisch Platz nehmen sollte.

Aber im Unterschied zu vielen Bescherungen blieb das Geschenk nicht hinter den Erwartungen zurück: Nach einem unschönen Machtkampf im Sommer ist es gelungen, mit Kirill Petrenko den aufregendsten jüngeren Dirigenten für die Bayerische Staatsoper zu gewinnen. Trotz Kent Naganos Verdiensten: In der harten Theaterwelt ist das Bessere der Feind des Guten.

Der 38-Jährige Petrenko stammt aus dem sibirischen Omsk und studierte in Wien. 1999 wurde Petrenko Musikchef des Meininger Theaters, wo er mit Wagners „Ring des Nibelungen“ überregional Bekanntheit erlangte. Nach fünf Jahren als Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin war er den damit verbundenen Verwaltungskram satt und arbeitete ab 2007 auf eigenen Wunsch nur noch frei.

„Mittlerweile habe ich eingesehen, dass das Leben aus dem Koffer nicht weniger zeitraubend ist als die Teilnahme an einer Sitzung“, erklärte der bescheidene Dirigent in perfektem Deutsch. Die Arbeit an einem Traditionshaus wie der Münchner Oper ist für ihn eine Sache der „Herzenshingabe“. Petrenko hat einen Fünfjahresvertrag unterschrieben und will mindestens 40 Abende pro Spielzeit übernehmen. „Ich dirigiere nicht mit der linken Hand in Europa und der rechten in Asien“, sagte er mit Hinblick auf die mehrfachen Chef-Pflichten seines Vorgängers und vieler anderer seiner Kollegen.

Petrenkos erste Premiere an der Staatsoper ist auf den 21. November 2013 terminiert, den 50. Jahrestag der Wiedereröffnung des Nationaltheaters. Die Oper wollte Bachler allerdings nicht verraten. Im kommenden Mai dirigiert Petrenko drei Vorstellungen von Puccinis „Tosca“, die er leidenschaftlich liebt wie alle italienischen Opern. Auch die drei Hausgestirne Wagner, Mozart und Strauss will er zum Strahlen bringen, nur bei den Franzosen zögert er wegen der Sprachbarriere.

Alle sind zufrieden

Chor und Orchester hätten gejubelt, als ihnen ihr künftiger Chef vorgestellt wurde, sagte Bachler. Sie haben ihn seit den Proben von Janáceks „Jenufa“ ins Herz geschlossen. Die Frage nach der Vereinbarkeit der Münchner Pflichten während der Opernfestspiele und Petrenkos Bayreuther „Ring“-Engagement ab 2013 wurde ein wenig ausweichend beantwortet. Die Verhandlungen mit den Wagner-Urenkelinnen sind noch nicht abgeschlossen. Aber der Dirigent scheint fest entschlossen, das Amt des Bayerischen Generalmusikdirektors für die nächsten Jahre raumgreifender mit mehr Leben zu erfüllen als seine Vorgänger.

Auch die Landtags-SPD, die Heubisch nach dem Rückzug Naganos scharf kritisiert hatte, begrüßte die Berufung. „Kirill Petrenko kann im Münchner Opernhaus ein neues Zeitalter des Aufbruchs einläuten“, sagte Fraktionschef Markus Rinderspacher. „Seine jugendlich-charismatische Strenge am Dirigentenpult wird neue Impulse geben.“

Auf der Wiesn war Petrenko am Montag übrigens auch schon. Der FC Bayern will den Fußballfan bald zu einem Heimspiel einladen. Zum vollständigen Glück fehlt ihm nur noch ein Therapeut, der die Rückenprobleme löst, die ihn zuletzt öfter zu Absagen zwangen. Aber sonst: Seit Carlos Kleiber gab es keinen Dirigenten, der so von der Aura des Genialischen umwittert war wie der Russe. Der Staatsoper stehen aufregende Zeiten bevor.

Robert Braunmüller

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