Das Alien Disco Festival im Volkstheater
Die Weilheimer Band The Notwist kämpft seit 1989 für musikalische Vielfalt, Erhaltung von Subkultur und künstlerische Unabhängigkeit. Sie sind die Gründer eines der abgefahrensten Musikprojektes weit und breit: dem Alien Disko Festival, das am Freitag und Samstag im Volkstheater stattfindet.
AZ: Herr Acher, wie würden Sie das Alien Disko Festival beschreiben?
MARKUS ACHER: Das Festival ist ein Treffen, eine Utopie einer anderen Welt, sehr bunt, eine andere und unkonventionelle Art, Musik zu machen.
Jeden Tag gibt es neun sehr extravagante Bands auf drei Bühnen. Wie machen Sie das organisatorisch?
Im besten Falle schreiben wir die Bands direkt an. Manche kennen uns als The Notwist, was durchaus hilfreich ist, weil dadurch schon ein gewisser Konsens besteht. Wenn sich Teile einer realen Band melden, ist es etwas anderes, als wenn große Konzertveranstalter anfragen. Bei Alien Disko teilen wir das Booking auf, jeder hat eine andere Aufgabe, mein Bruder Micha und ich kümmern uns in erster Linie um die Bands, wann und auf welcher Bühne die spielen, dass alles funktioniert und läuft.
Was erwartet uns dieses Jahr?
Es gibt die kleine Bühne für 100 Zuschauer, die ziemlich familiär im Halbkreis sitzen, sehr nah und intensiv, da spielen akustische und atmosphärische Formationen wie Bruno Berle aus Brasilien oder das wundervolle Quartett Gratin Carnival aus Japan. Auf dem mittleren Podium finden 300, auf der großen Bühne 700 Zuschauer Platz. Wir freuen uns sehr auf die fantastische Formation Beak mit Geoff Barrow, Portishead-Gründungsmitglied und einer der Pioniere des Trip-Hop. Geoff hatte ursprünglich mit zwei befreundeten Kollegen als Feierabendprojekt begonnen, Siebziger-Psychodelic-Style zu spielen. Daraus entstand das Projekt Beak.
Das Festival möchte die Grenzen verschiedener Genres sprengen.
Journalisten und Historiker würden gerne alles einordnen, um die Genres übersichtlicher zu machen. Viele Bands, die bei uns spielen, möchten sich aber nicht auf einen Stil festlegen lassen. Mariá Portugal beispielsweise wurde 2020 für das Moers-Festival eingeladen und ist am Niederrhein hängengeblieben. Sie ist ein Jazz-Star, aber sie arbeitet auch mit Soundtracks und spielt auf dem Festival ihre brasilianisch basierenden Songs, mischt und improvisiert live auf der Bühne ab, fügt elektronische Komponenten ein, hat quasi eine völlig neue Musikform erfunden. Manche eingefleischte Jazzfans sind bei ihrem Vortrag erstmal perplex, aber dann ziemlich rasch begeistert.
Es geht also darum besondere Bands aus aller Welt nach München zu bringen.
Richtig. Jeana Morina kommt extra aus Argentinien angereist. Wir sind Riesenfans von ihr, konnten sie sogar gewinnen, auf dem letzten Notwist-Album einen Track einzusingen. Einige Bands würden in München möglicherweise gar nicht genügend Publikum und Aufmerksamkeit bekommen. Wir wählen sehr nach persönlichem Geschmack aus, möchten unseren Besuchern ungewöhnliche, sehens- und hörenswerte Formationen bieten wie das japanische Noise-Projekt o'summer vacation. Auch wer nicht die Referenzen oder Alben der Gruppen kennt, soll Spaß haben. Selbst wenn man bestimmte Musikstile nicht kennt oder hört, ist für alle was dabei. Es ist kein Festival für Kenner und Experten, jeder kann was für sich entdecken und sich dafür begeistern.
Spielen auch hiesige Gruppen?
Natürlich! Mit Cute Fruit haben wir eine neue, frische und engagierte Münchner Band aus München. Weil wir die Münchner Szene lieben, findet nach den Konzerten immer ein Aftershow-Soundclash statt, heuer im Schmock, da spielen spielen Musiker aus verschiedenen Ecken gemeinsam mit den internationalen Gästen.
Welche sind das?
Mitglieder der Landlergschwister, dann die türkischen Siebzigerjahre-Punkrocker Sinem und die mittlerweile zurecht sehr populäre Szeneband What are People for? Diese Soundclash-Momente sind immer so eine Art Highlight für das Festival.
Wie hat sich die globale Musikszene verändert?
Es ist schwieriger geworden, davon zu leben oder über die Runden zu kommen, das liegt auch an Spotify und der allgemeinen Verfügbarkeit von Musik. Durch Corona wurde es noch komplizierter, einige Bands fallen und fielen durchs Raster, es mussten in letzter Zeit haufenweise kleine Clubs und Labels schließen. Die einzigen, die nicht gelitten haben, sind Vermieter und Firmen.
Wie finanzieren Sie das Festival?
Wir werden von verschiedenen Seiten gefördert, das Geld wird komplett an die musikalischen Gäste ausbezahlt. Wir mussten allerdings den Eintritt etwas erhöhen, sonst wäre es nicht finanzierbar gewesen. Manche Bands sind momentan auf Tour, die US-Rapperin Nappy Nina beispielsweise, oder Kabeaushé aus Kenia. Für viele Formationen kommen wir allerdings für die gesamten Reise- und Übernachtungskosten auf.
Sie haben schon immer von Ihnen geliebte Gruppen als Vorbands von Notwist nach München eingeladen. Entstand daraus das Konzept Alien Disko?
Wir haben mal 2 Tage hintereinander gespielt und buchten eine englische Band und einen englischen Elektronik-Künstler, hierbei entstand ein toller Austausch und schließlich die Idee, viele Bands aus der gesamten Welt einzuladen. Wir selbst als The Notwist haben uns immer mehr rausgezogen, tauchen nur vereinzelt auf, beispielsweise bei ADA aus Hamburg.
Früher gab es in München zahlreiche Live-Musik-Kneipen wie das Alfonsos, den Rigan Club oder das Podium. Wie könnte man denn diese kulturellen Oasen wieder zurückholen?
Schwer zu sagen. Jene kleinen Oasen sind genauso wichtig wie die großen Häuser, bestimmte Förderungen könnten angemessener verteilt werden, es gibt wenig Raum und hohe Mieten, da ist es nicht leicht, eine wirkliche Subkultur in Kunst, Theater, Ballett und Musik zu erhalten. Wir sind daher total froh, dass es mutige Leute und Institutionen gibt, die uns Alien Disko ermöglichen. Als Lilienthal noch in den Kammerspielen aktiv war und sämtliche Kulturen mitten in der Stadt in diesem Haus zusammenbrachte, ist plötzlich viel Neues entstanden. Nun ist das Volkstheater das Wagnis eingegangen, ein kunterbuntes Musikfestival in einem Theater stattfinden zu lassen. Es ist uns wichtig, Bands nach München holen, die sonst nicht zu sehen sind. Für ein paar Tage wird München verändert. Darüber sind wir sehr glücklich.
Volkstheater, 8. und 9. Dezember, jeweils 19 Uhr, Tagesticket 65 Euro, Festivalticket 95 Euro
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