Darum sind wir beziehungsunfähig

Sein Text "Generation Beziehungsunfähig" hat über eine Million Leser - im Interview erklärt Michael Nast, wofür ihm die Leute dankbar sind und wie viel "Fight Club" in unserem Leben steckt.
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München - Er wurde von der "Berliner Morgenpost" schon als "männliche Version von Carrie Bradshaw" bezeichnet - und nicht zuletzt mit seiner Kolumne "Generation Beziehungsunfähig" hat Michael Nast bewiesen, dass er den Vergleich mit "Sex and The City" nicht zu fürchten braucht. Innerhalb einer Woche haben den Text eine Million Menschen gelesen. Warum ihm die Leute dankbar sind, wer die "Generation Beziehungsunfähig" ist und was das mit "Fight Club" zu tun hat, verrät er im Interview mit spot on news.

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Mit dem Text "Generation Beziehungsunfähig" haben Sie für viel Aufsehen gesorgt. Wie waren die Reaktionen?

 

Michael Nast: Ich überhöhe natürlich immer etwas und finde es gut, wenn die Leute online darüber streiten und diskutieren. Bei diesem Text kam aber eine enorme Welle an Feedback - nach dem Motto: Genau das ist mein Leben! Die Leser haben mir dafür gedankt, dass ich ihre eigenen Gedanken so treffend ausformuliert habe. Über tausend Mails, teilweise eine DIN-A4-Seite lang, habe ich erhalten. Ich komme gar nicht hinterher, die alle zu beantworten, da muss ich mich entschuldigen.

 

Wer ist die "Generation Beziehungsunfähig"?

 

Nast: Ich hatte gedacht, der Text spricht Leute von Mitte 20 bis Mitte 30 an. Nach den ersten Reaktionen habe ich bemerkt, es sind wohl Menschen bis Mitte 40, die das betrifft. Und dann gab es vor wenigen Wochen noch mal eine Welle, mit der die Teenager das für sich entdeckt haben. Von 16 bis 45 Jahren kann man nicht mehr von einer Generation sprechen. Das scheint wirklich eine allgemeine Befindlichkeit zu sein.

 

Und die meisten stimmen Ihnen zu?

 

Nast: Zuerst bin ich von Reaktionen ausgegangen, die 50:50 ausfallen. In Wahrheit waren es aber 90% Zustimmung. Die, die nicht zustimmen, werden immer extrem emotional und fühlen sich angegriffen. Einen Verrückten hatte ich schon immer dabei, jetzt sind es ein paar mehr.

 

In dem Text geht es darum, dass sich viele Menschen in einem Selbstoptimierungs- und Perfektionswahn befinden. Dazu kommt die totale Fokussierung auf den Job. Bei so vielen zustimmenden Reaktionen - haben Sie das Gefühl, es findet ein Umdenken statt?

 

Nast: Nein, überhaupt nicht. Mein Text bietet auch keinen Lösungsansatz. Es ist eine reine Zustandsbeschreibung. Es gibt darin aber den Rat: Wer sich nur auf sich selbst bezieht, verpasst alles andere. Die Leute sind generell einfach nur dankbar, dass ihre Gefühle so auf den Punkt gebracht wurden, ihr Leben ändern sie deshalb wohl nicht. Ich finde es besser, in einem Text ein hohes Identifikationspotenzial herzustellen, als den moralischen Zeigefinger zu erheben. Dadurch dass ich den Leuten einen Spiegel vorhalte, reflektieren sie sich selbst. Und dann muss jeder sehen, was er für sich daraus macht. Über einen Lösungsansatz habe ich selbst erst später nachgedacht.

 

Wie sieht der aus?

 

Nast: Unser gesamtes Wertebewusstsein ist komplett verzerrt, wir sind eine Generation von Selbstdarstellern, auch vor uns selbst. Wir arbeiten die ganze Zeit an dieser Fassade, in den sozialen Netzwerken stellen wir uns nur in Höhepunkten dar. Durch dieses Perfektionsstreben sind die Leute extrem unzufrieden mit sich selbst. Die Selbstliebe fördert das ja nicht unbedingt. Und daraus entsteht dann wieder ein Therapie-Hype: Jede Frau unter 30, die ich kennenlerne, hat schon mindestens zwei hinter sich. Eigentlich ist es ja auch das Problem, das Edward Norton in "Fight Club" hat. Er ist innerlich leer, unzufrieden mit seinem Job, definiert sich nur darüber, was er kauft. Und dann erschafft er Tyler Durden, der für ihn mal richtig austeilt. Das ist vielleicht ein etwas drastischer Lösungsansatz...

 

Sie vergleichen das Ganze auch mit der Generation Ihrer Eltern, die mit 30 normalerweise ihr Einfamilienhaus und Kinder hatten. Und oft einen Job und einen Partner für das ganze Leben. Gibt es auch heute noch diese Sehnsucht nach so einem Leben?

 

Nast: In meinem Text wurde das oft in der Hinsicht fehlinterpretiert, dass ich mich selbst danach sehne. Ich gehe da durch dieses Einfamilienhausgebiet und berichte, dass ich ein sehr ambivalentes Verhältnis dazu habe. Wir leben unter ganz anderen Umständen als unsere Eltern, definieren uns ständig neu. Das Konzept der Ehe ist nicht mehr so wichtig. Ich persönlich finde die Vorstellung vom Leben in einem Einfamilienhaus schrecklich. Und ich glaube nicht, dass die Menschen, die mit 16 in der Schule zusammengekommen und zusammengeblieben sind, glücklich sind. Mich bedrücken aber auch einige dieser Veränderungen.

 

Welche sind das?

 

Nast: Das Konzept der Ehe zerfällt und in jedem Magazin werden wöchentlich neue Beziehungskonstruktionen erfunden. Die Leute sind auf der Suche nach neuen Liebesentwürfen. Total orientierungslos. Gerade Frauen belastet das sehr, die halten alle Männer für beziehungsunfähig, bekommen keinen mehr ab, der passt.

 

Warum sind die Männer beziehungsunfähig?

 

Nast: Ich kann nur von Berlin sprechen, aber Berlin zeigt, wo es hingeht mit diesem Land. Und hier ist es eben das Perfektionsstreben. Jeder stellt sich vor, dass es da vielleicht noch eine bessere, passendere Frau gibt. Und wenn dann Probleme auftauchen, zieht man eben weiter. Obwohl die Stadt voller potentieller Partner ist, gibt es hier die höchste Single-Rate. Das finde ich komisch...

 

Finden Sie es schlimm, dass Monogamie offenbar aus der Mode kommt?

 

Nast: Für mich ist die Monogamie schon das Ideal: mit jemanden zusammen ein Leben aufbauen und Kinder haben. Aber ohne Doppelhaushälfte, lieber in einer schönen Altbauwohnung in der Stadt.

 

 

 

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