"Damit ist München als Kunststadt Weltspitze"
MÜNCHEN - Das Brandhorst-Museum, Münchens vierte Pinakothek, vergrößert das Museumsareal. Dem großen Staatsakt zur Eröffnung fehlen alle Zwischentöne – zumindest so lange, bis Kunstminister Heubisch und Ministerpräsident Seehofer aneinandergeraten
Der Ministerpräsident kam überpünktlich und eilte im Stechschritt mit Gefolge zu Cy Twomblys Lepanto-Zyklus, dem riesenhaften, einen ganzen Raum füllenden Herzstück des nun endlich für 48 Millionen Euro fertiggestellten Museums Brandhorst. Fünf Minuten Fototermin mit Horst Seehofer, dann konnte die Dramaturgie eines Staatsaktes ihren höchst feierlichen, zweistündigen Verlauf nehmen: Begrüßungen, Danksagungen und schließlich Übergabe eines großen Schlüssels, der eher wie ein abstraktes Kunstwerk aussah.
Jetzt gehört das Museum Brandhorst den Bürgern – ab Donnerstag können sie es besichtigen. Damit geht eine Geschichte zu Ende, die 1999 mit der Gründung einer Stiftung durch den Sammler Udo Brandhorst für seine rund 700 Kunstwerke im Wert von mehr als 100 Millionen Euro begonnen hatte und die nun mit einem neuen Museum in München glücklich endet.
Die Bilder gehören aber auch künftig nicht den Bürgern, sondern bleiben bei der Brandhorst-Stiftung, während die öffentliche Hand Bau und Unterhalt des Hauses bezahlt. Daran hatte sich bei der Diskussion um das Museum viel Kritik entzündet, ebenso wie an der eingezwängten städtebaulichen Lage an der Ecke Türken-/Theresienstraße und am risikoarmen Mainstream-Charakter der Sammlung.
So weihevoll wie bei der Einweihung eines Kleinstadt-Klärwerks
Doch Zwischentöne sind bei einer feierlichen Übergabe natürlich nicht so sehr gefragt, man blieb lieber so weihevoll und selbstgewiss wie bei der Einweihung eines Kleinstadt-Klärwerks. Lediglich ein paar Dutzend Studenten sorgten für Radau, indem sie vor dem Eingang ausdauernd gegen Studiengebühren demonstrierten und den Protest irgendwie gegen das Museum in Stellung zu bringen versuchten: „Verbaut uns nicht die Bildung!“
Im eigens errichteten Festzelt liefen einige hundert Gäste ein, inklusive der Kultur- und Wirtschaftspromis von Charlotte Knobloch bis Roland Berger sowie Schickeria-Damen, die aussahen wie von Cy Twombly persönlich gespachtelt. Die kunstsinnige Königliche Hoheit, Franz Herzog von Bayern, schüttelte bürgerliche Hände, die sich ihm freudig entgegenstreckten, und Udo Brandhorst stand sehr lange vor der Garderobe und begrüßte seine Gäste persönlich. Dafür sprach er dann aber kein Wort mehr, als es in den offiziellen Teil ging.
Den eröffnete Klaus Schrenk, der brandneue Generaldirektor der staatlichen Gemäldesammlungen, mit einer Rede, die so viel Esprit hatte, als ob er wirklich ein Klärwerk eröffnen wollte. Es sah "einen Glanzpunkt musealer Präsentation" und München als "fulminanten Standort moderner Kunst" und vergaß von drei am Projekt beteiligten Kunstministern gleich zwei, nämlich den aktuellen, Wolfgang Heubisch, und dessen Vorgänger Thomas Goppel.
Ein Kratzfuß, ein Livebild und ein herzhaftes Gähnen
Ein Schrenkscher Kratzfuß vor der Staatsregierung ("unser tiefempfundener Dank...") leitete über zu ebendiesem Heubisch, der das Pech hatte, dass zu Beginn seiner Ansprache auf der Großleinwand hinter ihm der BR ein Livebild von der bunten Museumsfassade einblendete, auf dem ein zufälliger Passant genau in diesem Moment herzhaft in die Kamera gähnte. Immerhin kam so erstmals Heiterkeit ins Weihezelt.
Heubisch aber geriet nach dem üblichen Lobpreis in offensiven Schwung und verlangte den schnellen Bau des noch fehlenden zweiten Bauabschnitts für die Pinakothek der Moderne: "Ich werde alles daran setzen." So könnte man "München als Kunststadt endgültig an die Weltspitze führen", was das Publikum mit großem Beifall quittierte.
Dann kam Ministerpräsident Horst Seehofer, den es bei der kleinen Eskapade seines Ministers offenbar innerlich geschüttelt hatte. Der in seinem Manuskript stehende Satz "Ich kann mich hier den Ausführungen von Staatsminister Heubisch nur anschließen" kam ihm nicht mehr über die Lippen. Er rief erst dem Stifter Brandhorst "ein bayerisches Vergelt’s Gott" zu und konstatierte "einen wunderschönen, stolzen, faszinierenden Tag für Bayern". Dann kam Seehofer gleich zwei Mal zum wunden Punkt zurück: Er habe "die vielen Anliegen von Heubisch gehört, die er an die eigene Regierung stellt", doch er müsse erst mal festhalten, "dass München bereits Weltformat hat, es ist Weltspitze!"
Und dann wendet sich Seehofer an den "lieben Kollegen Heubisch"
Und nach einem grundlegenden Bekenntnis zur Kultur im Allgemeinen und Besonderen (Bayern als Kulturstaat, Kulturauftrag der Verfassung, Kultur als menschliches Grundbedürfnis...) wandte er sich abermals an den "lieben Kollegen Heubisch“, da "dieser schöne Tag dazu benutzt wird, gleich eine ganze Agenda aufzublättern": "Es ist schön, dass du das so ausgebreitet hast, jetzt kenne ich dein Anliegen", so Seehofer in seiner berühmt-berüchtigten Ironie, aber es gebe halt in der Kultur auch noch andere Dinge zu tun und zu bezahlen, in München etwa den Neubau eines Marstall-Konzertsaals oder den Umbau der Gasteig-Philharmonie.
Es kamen noch einige hübsche Wortgirlanden wie die von der "Schatztruhe Bayerns" die nun "um viele Glanzstücke reicher" sei. Dann sagte Seehofer endlich den entscheidenden Satz, seltsamerweise mit dem beigefügten Hinweis, dass "es zu meinen verfassungsgemäßen Pflichten gehört": "Ich erkläre das Museum Brandhorst für eröffnet." Draußen riefen die Studenten immer noch nach "Bildung für alle" – hoffentlich sieht man den einen oder anderen von ihnen bald mal im Museum. Michael Grill