Damit die Oper überlebt
Im vergangenen Juli sprang Vittorio Grigolo für den erkrankten Rolando Villazón in London ein. Seitdem gilt er als große Hoffnung im italienischen Fach. Nächste Woche gastiert er in München.
Soviel steht fest: Vittorio Grigolo ist Italiener und Tenor. Anna Netrebko war seine Manon, als er letztes Jahr in London als Des Grieux seinen Durchbruch erlebte. Am 18. Januar präsentiert er sich mit einem Arienabend im Gasteig.
AZ: Herr Grigolo, was singen Sie unter der Dusche?
Ehrlich gesagt, da singe ich nie!
Nichts? Es scheint doch, Sie haben nie etwas anderes gemacht, auch nicht als Kind?
Ich habe sehr früh angefangen, und ich bin allen dankbar, die mein Talent erkannt und an mich geglaubt haben. Ich hatte großes Glück.
Ihre CD nennt sich vollmundig „The Italian Tenor“. Was verstehen Sie darunter?
Das ist eine Arienauswahl aus der italienischen Bel Canto-Tradition, der Kultur, aus der ich komme. Vieles ist sehr bekannt, anderes weniger, etwa die Arien aus Puccinis „Le Villi“ oder Verdis „Il Corsaro“.
Mit dem „Troubadour“ wagen Sie aber ins Heldenfach.
Mit der Zeit habe ich mich vom leichten lyrischen Tenor zu einem vollen lyrischen Tenor entwickelt, aber mir die Leichtigkeit erhalten. Verdis Manrico singe ich eher romantisch. Das gibt die Figur auch her, schließlich ist Manrico ein Dichter. Aber das ist mehr eine Art Vorgriff auf den Vittorio der Zukunft.
Wie wichtig ist für einen Sänger das gute Aussehen?
Wer möchte auf der Bühne nicht einen Romeo sehen, der dem romantischen Charakter der Rolle entspricht? Die schöne Stimme allein bringt das heute nicht mehr. Vielleicht ist es auch so: Wir möchten auch ein anderes Publikum ansprechen, ein jüngeres ohne große Opernerfahrung. Die Oper soll ja nicht sterben.
Wie kann man das sonst noch erreichen?
Man muss soviel Interesse erregen wie möglich, alle Medien nutzen. Ich habe zum Beispiel in Zürich „La traviata“ im Bahnhof gesungen und kürzlich den Herzog im „Rigoletto“ mit Placido Domingo in der Titelrolle fürs Fernsehen an Originalschauplätzen in Mantua.
Das funktioniert?
Sicher. Ich werde oft von Leuten darauf angesprochen, die mich im Fernsehen gesehen haben, aber sonst nicht unbedingt in die Oper gehen.
Ihre erste CD „In the Hands of Love“ war sogar ein Ausflug in die Unterhaltungsmusik.
Ich nenne das Pop-Opera. Damit möchte ich eine andere Generation erreichen. Ich singe mit der Technik meiner ausgebildeten Stimme, live und ohne Mikro an Orten, die nicht für die Oper stehen. Ich hoffe, wer das hört, kommt irgendwann doch ins Theater.
Welche der großen Tenöre sind Ihr Vorbild?
Ich bewundere und liebe die Stimmen der anderen und lerne von ihnen: Alfredo Kraus mit seiner unglaublichen Technik, seinen Dolci im Pianissimo, Fritz Wunderlich, Jussi Björling, Caruso, die Italianità von Beniamino Gigli, Pavarotti, die Leidenschaft bei Domingo!
Wie macht man Karriere: Glück, Arbeit, Disziplin?
Disziplin, Arbeit und Opfer, viele Opfer. Natürlich spielt das Glück eine Rolle: Man muss zur rechten Zeit am rechten Ort sein.
Wie erträgt man das Jetset-Leben?
Ich lebe wie ein Seemann oder Zigeuner ohne Zuhause aus dem Koffer. Aber das geht in Ordnung: Singen ist meine Berufung.
Was ist Ihnen lieber, Konzert oder Bühne?
Das kann man nicht vergleichen. Auf der Bühne verkörpere ich eine Rolle, im Konzert geht es um Vittorio, um mich als Person.
Wie erschafft man im Konzertsaal in einer Arie eine Figur?
Darum geht es im Konzert doch weniger. Die Leute sind ja gekommen, um mich singen zu hören, das allein ist schon eine Freude. Ich möchte das Publikum unterhalten und glücklich nach Hause schicken.
Wenn Sie nicht Tenor wären, was wollten Sie sein?
Rennfahrer.
Sie sind Italiener – dann hätten Sie wohl einen Ferrari?
Es darf auch gern ein Porsche sein.
Birgit Gotzes
Philharmonie, Dienstag, 18. 1., Karten unter Tel. 0180 / 54 81 81 81 und an der Abendkasse. Die CD "The Italian Tenor" bei Sony/BMG