Da gibt's eins aufs Dach

Hirn ist ja auf Speisekarten fast verschwunden – auch in der Politik, meint Jürgen Kirner und verspricht mit seiner Couplet-AG heute im Deutschen Theater: „Ab morgen wieder Hirn”
von  Adrian Prechtel

Sie bezeichnen sich als dienstältestes, nicht verwandtes oder verschwägertes Musikkabarett-Ensemble Bayerns. Sie dürfen trotz hoher Provokationsdichte im Bayerischen Rundfunk auftreten und füllen Großhallen, aber nicht mit Schmarrn, sondern mit geistigem Kaiserschmarrn: Die Couplet-AG zeigt nur heute im Deutschen Theater „Ab morgen wieder Hirn”, eine Polit-Satire auch über die Idee eines „Bundesamtes für registrierte Blödheit”.

AZ: Herr Kirner, der Titel „Ab morgen wieder Hirn” ist eine Provokation. Ist die Politik heute hirnloser als früher?
JÜRGEN KIRNER: Ja, die Protagonisten sind hirnloser. Die Raffinesse fehlt. Mit einem wie Strauß hat man sich dagegen noch intelligent fetzen können.

Aber heute wäre ein korrupter Hund wie Strauß doch schneller entlarvt und im Aus.
Das stimmt. Strauß – als Typ niederbayerischer Viehhändler – funktionierte nur in seiner Zeit. Aber wenn man heute sieht, wie dumm der Wulff viel geringere Verstöße managt, dann ist das nur noch hirnlos. Strauß hat die Presse halt wirklich instrumentalisiert. Der hat nicht peinlich angerufen, sondern Journalisten in die Staatskanzlei vor seinen großen Schreibtisch zitiert und sich die persönlich vorgeknöpft.

Heute ist die Presse aber doch frecher und freier.
Ich erinnere mich noch an unseren Kabarettauftritt beim Presse-Empfang im Bayerischen Landtag...

Sie waren eingeladen? Allein das zeigt doch schon, dass man heute liberaler ist...
Ja, wir konnten sogar unsere Hohlmeier-Nummer durchziehen. Aber dann, zu vorgerückter, alkoholisierter Stunde, kamen die interessanten Gespräche. Und da hat der Landtagspressesprecher durchaus noch die Politikredakteure der „Passauer Neuen Presse” unter Druck gesetzt. Aber das ist vorbei, weil heute Internet und die Presse so weit in die Privatsphäre eindringen, dass man nichts mehr vertuschen kann.

Schon Ludwig Thoma hat im bayerischen Parlament überwiegend Holzköpfe gesehen.
Aber es hat sich seitdem eben doch vieles geändert – nach unten! Der Anspruch der Menschen an sich sinkt stetig. Oder wie erklärt sich sonst im Fernsehen zum Beispiel ein völlig substanzloses „Dschungelcamp”, außer mit dümmstem Voyeurismus. Und solche Demagogen wie Mario Barth sind für mich auch Beweise für diese Tendenz. Selbst so jemand wie Monika Gruber traut sich ja kein wirklich subversives Programm, sondern bedient mit reinen Unterhaltungswitzen ein Massenpublikum. Georg Schramm dagegen ist vielleicht manchmal etwas zu moralinsauer, aber ihn zu sehen, ist für mich jedenfalls kein verlorener Abend.

Und wie ist das bei der Couplet-AG?
Für uns ist es ein Kompliment, wenn die Leute sagen: ,Also bei euch muss man wirklich mitdenken!’ Ich sag dann immer: ,Aber das ist doch nicht anstrengend, das ist Standard für Menschen, die noch einen gewissen Anspruch an sich haben!’

In die bayerische Politik ist doch Bewegung gekommen, wenn zum Beispiel ein junger schwuler Sozi im niederbayerischen Regen Landrat wird.
Ja früher hätten die Leute eher einen Holzpflock gewählt, den die CSU aufgestellt hat, als einen Roten. Heute ist dieser Kadaver-Gehorsam dahin! Aber das war auch eine verzweifelte Jux-Wahl, weil die CSU dort im kriminellen Sumpf versank und die Gemeinde Bodenmais bankrott ist.

Also ist dieser Michael Adam kein Beispiel für den Wandel?
Doch, aber heute reicht in der Politik ja schon Mittelmaß, um zum Zug zu kommen. Den Rest macht die Verwaltung. Letzteres gilt ja auch für die größte lebende Worthülse Oberbayerns, den Oberbürgermeister Ude. Und Herr Aiwanger ist für mich der Politclown schlechthin. Überhaupt beschäftigen wir uns in der Couplet-AG mit allen politischen Farben im Gegensatz zur Biermösl Blosn, die Grüne und meist auch Sozis immer geschont haben.

Aber finden Sie nicht, dass die Menschen sich heute viel weniger gefallen lassen?
Das täuscht. Die Leute werden nur aktiv, wenn sie vor ihrem Gartenzaun betroffen sind. Oder warum tritt ein Freisinger CSU-Ortsverein erst dann geschlossen aus der Partei aus, wenn die dritte Startbahn vor der Tür droht? Aber schon in München interessiert das die Leute kaum noch.

Verändert Kabarett die Welt?
Nein, aber man kann Denkanstöße geben, damit es morgen wieder mehr Hirn gibt. Wir vergrätzen ja auch nicht alle, sondern arbeiten die Dinge satirisch und musikalisch in der eingängigen Form des Couplets auf. Wenn wir früher über die CSU einen Witz gemacht haben, herrschte eisiges Schweigen. Das war bei den Sozen auch nicht anders. Heute lachen auch die jeweiligen Partei-Anhänger mit.

Heute: Die Couplet-AG ist um 20 Uhr im Deutschen Theater; Karten 29 Euro, Tel. 55234444. Am Freitag, 3.2., spielt die Couplet-AG um 20 Uhr mit den Tanngrindler Musikanten und Traudi Siferlinger im Theaterzelt Das Schloss, Schwere-Reiter-Str. 15. Karten gibt’s zu 27 Euro unter Tel.143408-0

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