Corvus Corax auf der Suche nach dem Menschsein
Zurück ins Mittelalter: Corvus Corax haben die Carmina Burana neu vertont und stellen sie in der Olympiahalle vor
Cantus Buranus II“ – es ist bereits das zweite Album, auf dem Corvus Corax die Carmina Burana neu interpretieren. Mit Chor und Orchester stellen sie ihr Werk am Samstag in der Olympiahalle vor. Wir sprachen mit Teufel – zuständig für Dudelsäcke und Schalmeien.
AZ: Teufel, Ihre erste Begegnung mit dem Mittelalter?
TEUFEL: Wenn man einen Märchenfilm sieht, dann soll der natürlich das Mittelalter zeigen. Das hatte ich in der Kindheit natürlich auch. Aber relativ früh kam das große Interesse an der Geschichte. In der fünften Klasse habe ich meine Geschichtslehrerin extrem genervt, weil ich viel mehr wissen wollte als normal gelehrt wurde.
Unser Mittelalterbild ist stark von den Romantikern geprägt.
Einerseits gibt es das romantische und anderseits das finstere Mittelalter. Beides ist nicht ganz so gewesen. Wenn man sich das finstere 14. Jahrhundert anguckt, wo die Pest die Bevölkerung stark dezimiert hat, ist andererseits musikalisch sehr viel passiert. Weil leidende Leute viele leidende Lieder hervorbringen.
Gab es in der DDR so etwas wie eine Mittelalter-Szene?
Nach der Flucht in den Westen wurden Corvus Corax gegründet
Das gab es schon, aber Wim und ich sind damals in den Westen abgehauen und haben dann Corvus Corax gegründet. Unsere Kollegen sind in der DDR geblieben. In der DDR gab es eine kleine Mittelalterszene, die haben wir sozusagen begründet. Es gab kleine Handwerker- und Mittelaltermärkte. Da haben wir Musik gemacht. Aber wir haben auch viel für Studenten und auf der Straße gespielt. Ab und zu wurden wir in den Kerker geschmissen, aber nie für lange Zeit. Da hieß damals „Erregung öffentlichen Ärgernisses“. Den Leuten hat’s gefallen, der Obrigkeit nicht.
Es gibt sehr viele Mittelalter-Bands. Gibt es Richtungen, gegen, die Ihr Vorbehalte habt?
Das ist Geschmackssache. Wir würden nie sagen, das macht man so nicht. Jeder Mensch sollte machen, was er möchte und zu was er fähig ist.
Bei der Carmina Burana gibt es zwei Möglichkeiten des Herangehens – die Rekonstruktion und die Neuvertonung.
Mit Corvus Corax spielen wir seit Jahren Melodien aus der Carmina Burana. Nur ist es so, dass die Melodien schlecht überliefert sind. „In Taverna“ ist aus der Carmina Burana. Aber für uns war es wichtig, ein Gesamtkunstwerk mit mittelalterlichen Texten zu schaffen, die noch aktuell sind. Die Welt ist nur etwas technischer geworden, aber das Menschsein spürt man in der Carmina Burana extrem. Wir haben das für Orchester, Chor und ein mittelalterliches Ensemble, Corvus Corax, komponiert.
Ihr habt schon die Cantus-Buranus-CD aufgenommen. Welche Themen deckt die ab?
Wir singen über den Zustand der Welt. Etwa, dass die Pfaffen sich immer bereichert haben. Ob das aktuell ist, muss jeder selbst entscheiden.
Sind das Heilige und der Spaß in diesen Texten nicht viel enger verbunden, als wir das heutzutage kennen?
Heute ist die Religion ein Auto oder eine Fußballmannschaft
Das mag natürlich auch an der Religionslosigkeit liegen. Heute ist die Religion ein Auto oder eine Fußballmannschaft. Früher lief der Austausch von Informationen auch in der Kirche ab.
In Bayern gibt es doch noch die Kombination von Wirtshaus und Kirche?
Wenn wir in Kaltenberg spielen, kriegen wir das ja alles mit. Da sitzen die Herren in der Kneipe, mittags kommt die Frau und sagt: Mittagessen ist fertig. Nach der Kirche wird erst einmal geredet. Aber zeigen Sie mir mal einen Berliner, der so ist.
Ihr stellt auf Eurer Homepage viele alte Instrumente vor.
Ich bin Instrumentensammler und habe etwa 200 Instrumente. Man sieht irgendwelche Abbildungen und dann gehen wir damit zu unserem Instrumentenbauer. Er hat einmal die größte Drehleier der Welt, ein so genanntes Organistrum, gebaut. Das muss von zwei Leuten bedient werden. Einer dreht und einer spielt. Weltweit suchen wir in Musikalienhandlungen nach Instrumenten. Da entsteht auch unser Sound. Bei Ebay haben wir günstig Taiko-Trommeln bekommen und schon hatten wir einen neuen Klang.
Ihr habt einen eigenen Instrumentenbauer, der darauf spezialisiert ist?
Als wir anfingen, haben wir Dudelsäcke gekauft. Dann haben die nicht so geklungen und ausgesehen wie wir uns das vorgestellt hatten. In der Bibliothek habe ich eine Abbildung gefunden und bin damit zu Wim gegangen. Wir spielen die lautesten Dudelsäcke und sie haben einen wunderbaren Klang.
Christian Jooß
Olympiahalle, 28. März, 20 Uhr, Karten von 18,75 bis 49,80 Euro (zzgl. Gebühr) unter Tel.54818181 oder http:// abendzeitung.ticketbox.de
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