Corona-Lockerungen für Bayerns Kultur: Ein Trippelschritt

Die bayerische Staatsregierung lässt wieder ein bisschen mehr Menschen an der Kultur teilhaben: 50 Prozent der Plätze dürfen genutzt werden.
von  Robert Braunmüller
Bei einer Protestaktion gegen den Kultur-Lockdown in den Niederlanden konnte man sich im Amsterdamer Concertgebouw zu Orchestermusik frisieren lassen. Mittlerweile wurden auch dort Lockerungen beschlossen.
Bei einer Protestaktion gegen den Kultur-Lockdown in den Niederlanden konnte man sich im Amsterdamer Concertgebouw zu Orchestermusik frisieren lassen. Mittlerweile wurden auch dort Lockerungen beschlossen. © imago images/Richard Wareham

Es ist das aufregendste Konzert meines bisherigen Lebens", sagt Florian Ganslmeier, der Geschäftsführer des Münchener Kammerorchesters, über den Auftritt seiner Musiker am Donnerstag im Prinzregententheater.

Weil bis Dienstagmittag nicht feststand, ob und wann die erlaubte Auslastung von einem Viertel auf die Hälfte der Plätze gesteigert werden würde, plante Ganslmeister mit seinem eineinhalbköpfigen Kartenbüro doppelgleisig und einem zweifachen Saalplan: für zwei Konzerte mit 25 Prozent der Plätze um 18 und 20 Uhr oder mit einer 50-prozentigen Auslastung bei einem Konzert, um die 500 Interessenten im Prinzregententheater unterzubringen.

Kulturbetreiber freuen sich über Kapazitätserhöhung

Erschwert wurde die Planung außerdem durch positive PCR-Tests unter den Mitwirkenden, weshalb die Geigerin Vilde Frang nun zwei Violinkonzerte von Bach spielt und ein Werk von Benjamin Britten entfällt. "Das alles summiert sich zu einem aberwitzigen Aufwand", so Ganslmeier. "Aber wir freuen uns wahnsinnig, vor mehr Zuhörern spielen zu dürfen."

Dem schließen sich die Verantwortlichen aller anderen Theater und Orchester an. Der Bayerische Rundfunk sagte allerdings fast zeitgleich mit der Lockerung wegen des "rasanten Infektionsgeschehens" alle Termine seiner Klangkörper bis Mitte Februar ab - und Streams gleich mit dazu. Das mag im konkreten Fall seine Gründe haben. Es wirkt aber auch lustlos und unflexibel, weil man ja auch umplanen und in kleinerer Besetzung spielen könnte, wenn man nur wollte.

Während das Kartenbüro des BR nun die Tickets storniert, dürfen sich andere Veranstalter auf Einnahmen freuen. Denn am Dienstag gab Staatskanzleiminister Florian Herrmann den Beschluss des Bayerischen Kabinetts bekannt: Ab Donnerstag darf die Auslastung auf die Hälfte der Plätze erhöht werden. Herrmann sprach von einer "moderaten Anhebung, die man gut rechtfertigen kann". Wegen der weiterhin geltenden FFP2-Maskenpflicht und 2G plus dürfen die Zuschauer auch etwas enger zusammenrücken als die zuletzt bindenden 1,5 Meter.

Neue Corona-Regeln gelten auch für Kinos

Die neue Regelung gilt nicht nur für Theater und Konzertsäle, sondern auch für die Kinos. "Mit diesem Signal kann ich arbeiten auch wenn ich immer noch kilometerweit von schwarzen Zahlen weg bin, denn von Donnerstag bis Samstag waren meine Kinos vor Corona immer ausgebucht", sagt Christian Pfeil, der Beteiber der Monopol Kinos, des Arena und des Rio in München.

Mit 50 Prozent Zuschauern entstehe eine echte Atmosphäre, zugleich fühlten sich die Zuschauer wegen der Abstände sicher. "Man merkt aber, wenn man sich die Pressekonferenzen der Regierung anschaut, wie die da rumschwurbeln, weil sie wissen, dass das alles nicht schlüssig ist - gerade im Vergleich zur Gastronomie, an die man sich ja nie rangetraut hat", fügt Pfeil hinzu.

Münchenmusik: "Das Positive überwiegt"

Zustimmung kommt auch von Münchens größtem Klassik-Veranstalter. "Die Entscheidung, von 25 auf 50 Prozent der belegbaren Saalkapazität zu gehen, ist ein Schritt in die richtige Richtung", sagt Andreas Schessl von Münchenmusik. Damit werde erstmals anerkannt, dass die Kultur kein Pandemietreiber sei: "Auch dürfen wir nicht vergessen, dass die Kultur auch mit 50 Prozent weiter stärker reglementiert ist als zum Beispiel die Gastronomie. Dennoch, für heute überwiegt das Positive", sagt Schessl.

Das sieht auch der Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels ähnlich. "Es ist eine richtige Entscheidung, wenn auch zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt", sagt Andreas Beck. "Die Theater waren und sind sicher. Das haben wir in den vergangenen Monaten - oder Jahren - bewiesen und ist von Studien untermauert."

Mehr Zuschauer im Residenztheater und im Gärtnerplatztheater

Das Residenztheater spielt ab Donnerstag mit erhöhter Kapazität, das Gärtnerplatztheater ebenfalls: Es bringt an diesem Tag eine Neuinszenierung von "Les contes d'Hoffmann" heraus. Die Staatsoper folgt am Freitag: Ihr Intendant Serge Dorny freut sich auf mehr Publikum bei der Premiere von Janáèeks "Das schlaue Füchslein" am Sonntag.

Das Literaturhaus wird ab 31. Januar bei seinen Lesungen die Kapazität von derzeit 75 auf 150 Plätze verdoppeln.

Till Hofmann wartet beim Lustspielhaus wie geplant bis zum ab 4. Februar, "um langsam wieder Vertrauen zu schaffen". Darüber hinaus blickt der Kabarett-Impresario nach vorn: "Wenn die Hospitalisierungsquote nicht steigt, brauchen wir bald wieder normale Bedingungen."

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