Interview

Claudia Bauer im AZ-Interview: Die Kunst der Überwältigung

Claudia Bauer inszeniert "Valentiniade. Ein Sportliches Singspiel mit allen Mitteln" am Residenztheater.
von  Mathias Hejny
Die in Landshut geborene Regisseurin Claudia Bauer studierte Schauspiel und Regie an der Ernst-Busch-Hochschule in Berlin.
Die in Landshut geborene Regisseurin Claudia Bauer studierte Schauspiel und Regie an der Ernst-Busch-Hochschule in Berlin. © Sandra Then

München - "Humanistää! Eine Abschaffung der Sparten" am Wiener Volkstheater mit Texten von Ernst Jandl ist eine der jüngeren Arbeiten von Claudia Bauer, die dafür in diesem Jahr sowohl den Nestroy-Preis als auch den 3-Sat-Preis des Berliner Theatertreffens erhielt.

Claudia Bauer: im engeren Kreis der Resi-Regisseure

Schon seit seiner Intendanz in Basel gehört sie zum engeren Kreis der von Andreas Beck geschätzten und beschäftigten Regisseurinnen und Regisseure. Heute hat sie Premiere mit ihrer neuesten Produktion am Residenztheater. Thema ist eine Persönlichkeit, die München prägte wie nur wenige andere Künstler.

Die AZ sprach mit Claudia Bauer über Karl Valentin und die "Valentiniade. Ein Sportliches Singspiel mit allen Mitteln".

AZ: Frau Bauer, Sie waren im vergangenen Frühjahr zum vierten Mal mit einer Ihrer Inszenierungen zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Das können nicht viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen von sich behaupten. Kann man sich daran gewöhnen?
CLAUDIA BAUER: Ich bin noch keine Spitzenreiterin auf der Liste von Leuten, die zum Theatertreffen eingeladen wurden. Das muss man vielleicht auch nicht werden. Aber man gewöhnt sich nie daran, genauso wenig wie man sich daran gewöhnt hat, dass plötzlich Premiere ist. Es ist jedes Mal so aufregend, als würde man es zum ersten Mal erleben. Ich hatte immer das Glück, dass das kritische Berliner Publikum mich gnädig umarmt hat.

Hier in München stehen Sie mit den sehr rasanten Molière-Überschreibungen "Der eingebildete Kranke oder das Klistier der reinen Vernunft" und "Tartuffe oder das Schwein der Weisen" noch im Resi-Spielplan. Wie fanden Sie den Weg vom Pariser Rokoko-Komödianten Molière zum Münchner Humoristen Karl Valentin?
Der Weg führte zunächst über das Tragikomische, das mich immer interessiert. Auch bei Molière habe ich nicht nur die Komik gesucht. Auch kam ich an Valentin persönlich nicht vorbei. Ich weiß seit Jahrzehnten, dass ich einmal etwas mit seinen Texten machen werde. Ich selbst komme aus Landshut, aber meine Mutter war Münchnerin und ihr Vater war einer der vielen Nervenärzte, die Karl Valentin behandelten.

Was wissen Sie darüber?
Mein Großvater behandelte ihn wegen Reiseangst. Valentin hatte viele Ängste und Phobien, darunter eine intensive Reiseangst. Die Eisenbahn ist ihm zu schnell gefahren. Als Gastspiele in Berlin anstanden, ließ er sich behandeln. Es hat aber nur wenig geholfen. Er hat bis zum Ende seines Lebens seine Phobien behalten, die ja auch Quelle seiner Kreativität waren. Das ist meine Verbindung zu Karl Valentin.

"Valentiniade" hört sich geradezu olympisch an und Sie versprechen im Titel, "mit allen Mitteln" zu arbeiten. Was heißt das?
"Valentiniade" haben wir uns nicht ausgedacht. Das ist ein Begriff von ihm selbst. Es geht also nicht um den einen Karl Valentin oder einen bestimmten Sketch, sondern um Valentin als Thema. Ich kann schon so viel verraten, dass es auf der Bühne sehr viel Karl Valentins geben wird.

Lukas Rüppel als Karl Valentin, aber er wird in Claudia Bauers "Valentiniade" nicht der einzige Valentin bleiben.
Lukas Rüppel als Karl Valentin, aber er wird in Claudia Bauers "Valentiniade" nicht der einzige Valentin bleiben. © Birgit Hupfeld

Was ist mit den "Mitteln"?
Alle Mittel verwende ich immer, dafür bin ich bekannt und wurde deswegen sehr lange bitter gerügt. Die deutsche Kritik hat irgendein Problem damit, wenn viele Mittel verwendet werden. Ich verwende einfach gerne das Maskenspiel, das tänzerisch körperliche Spiel, den Gesang, die Band. Ich bin für die Abschaffung der Sparten und habe das große Bedürfnis, Menschen im Theater wirklich mit allen Mitteln in eine andere Welt hinein zu ziehen. Das nicht nur, um zu unterhalten, sondern um mit einer Welt zu überwältigen, in der sie etwas wiederfinden, was nicht immer nur komisch ist.

Neben dem Münchner "Wortzerklauberer" verarbeiten Sie auch Texte des Augsburgers Michel Decar. Was hat er Valentin hinzuzufügen?
Natürlich kann man Karl Valentin nichts hinzufügen außer einer Brücke zwischen seiner und unserer Zeit. Es ist ein innerer Monolog in einem Karl Valentin, der heute leben könnte. Decar ist der zweite Bayer im Bunde. Michael Gumpinger, unser Komponist und Kapellmeister, ist unser dritte Bayer. Ich habe darauf geachtet, dass im Leitungsteam möglichst viele Bayern mit dem bayerischen Mindset vertreten sind.

Welche Valentin-Texte suchten Sie aus?
Natürlich "Die Orchesterprobe", die schon deswegen reizvoll ist, weil viele Leute mitspielen. Wenn man außerdem musikalisch arbeiten will, bietet sie sich an als Grundsituation. Dann hat mich "Der Mondraketenflug" mit dieser Mischung aus Angst und Sehnsucht nach einer anderen Welt oder nach der großen Reise sehr interessiert. Es hat mich wahnsinnig fasziniert, dass er sich mit Flugzeugen und Raketen beschäftigt hat. Als Schreiner konnte er seine Requisiten selbst bauen, darunter ein Mondraketenflugzeug. Wir haben es jetzt identisch nachgebaut. Gleichzeitig seine Reiseangst und seine Mondrakete zu zeigen, ist schon sehr spannend.


Residenztheater, 16. Dezember, 19.30 Uhr, wieder am 27. Dezember, 19.30 Uhr, 1. und 8. Januar, 18.30 Uhr, Telefon 21851940

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