Christian Thielemanns Vertrag wird nicht verlängert
Jetzt ist es raus: Der Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker, Christian Thielemann, wird das Orchester verlassen. Im Streit um Kompetenzen hat die Stadt nicht nachgegeben.
Manchmal wiederholt sich die Geschichte doch: 2004 verhandelte Christian Thielemann mit dem Berliner Senat über die Verlängerung seines Vertrags an der Deutschen Oper. Auf der Zielgeraden forderte er öffentlich eine gleiche Bezahlung seiner Musiker mit der Staatskapelle unter den Linden. Diese Maximalforderung war für das finanziell gebeutelte Berlin unannehmbar, der Dirigent warf hin.
Thielemann versteht sich auf dramatische Wirkungen. Die Berliner sahen am Ende so schlecht aus, wie es nun dem Münchner Kulturreferenten Hans-Georg Küppers passieren könnte. Angesichts der unvernünftigen Maximalforderung Thielemanns, auch über die Programme und Dirigenten der Gastkonzerte bestimmen zu wollen, schlug er dem Stadtrat vor, den 2011 auslaufenden Vertrag mit dem Dirigenten nicht zu verlängern. Dieser Antrag wurde mit der Gegenstimme von Ursula Sabhatil (CSU) angenommen. Sie plädierte für eine Vertagung, um Zeit zu gewinnen. Dabei war alles längst entschieden.
Thielemann stilisiert sich zum Opfer
Ein Blick auf Zahlen hilft bei der Meinungsbildung: Thielemann dirigiert pro Saison 25 bis 30 Konzerte und 15 Konzerte auf Tourneen. Der Streit dreht sich um die 60 weiteren, von Gastdirigenten geleiteten Abende des Orchesters. Thielemann unterstellt, hier würde systematisch seine Arbeit untergraben: "Dann könnte ein anderer Dirigent einen Beethoven-Zyklus dirigieren, der meinem entgegensteht, und ich würde in meinem eigenen Haus ein Gastdirigent. Dann wüsste ich nicht, was ich da noch soll."
Nur: Niemand wollte je solches, am wenigsten der auf Konsens und Ausgleich bedachte Intendant Paul Müller, der als Wunschkandidat Thielemanns nach München kam. Hier stilisiert sich Thielemann zum Opfer von Intrigen und Ignoranz. Wieso sollte bei den Philharmonikern kein Planungsspielraum möglich sein, wie ihn Mariss Jansons beim BR-Symphonieorchester dem Management zubilligt? Dort nimmt die Klangkultur auch keinen Schaden.
Unmut im Orchester
Es ist leider so, dass diese starre Haltung mit Allzumenschlichem zu tun hat. Thielemann ist ein empfindlicher und kapriziöser Perfektionist, der an der Hektik des Betriebs leidet und immer wieder Rückzugsgedanken äussert. Das Beispiel von Carlos Kleiber lehrt, dass solche Schwierigen die Kunst zwar bereichern, ihrer Um- und Mitwelt das Tagesgeschäft jedoch zur Hölle machen können.
Auch innerhalb der Münchner Philharmoniker scheint sich allmählich Unmut über Thielemanns Verhalten angesammelt zu haben, beispielsweise wegen seiner Zurückhaltung gegenüber Auslandstourneen, die den internationalen Ambitionen des Orchesters im Wege stehe. Ausserdem wird intern kritisiert, dass Thielemann zu wenig CDs mit seinem Münchner Orchester produziere. Die Philharmoniker wollten sich gestern offiziell nicht zur Entscheidung des Stadtrats äussern.
Die Provinz droht
Zur Blamage könnte die ganze Angelegenheit jedoch werden, wenn nicht bald ein starker Nachfolger gefunden wird. Die im Umfeld von Kulturreferat und Stadtrat verbreitete Ansicht, ein jüngerer Dirigent könne mit den Münchner Philharmonikern wachsen, wirkt angesichts der Realität der Inner-Münchner Konkurrenz mit Mariss Jansons und Kent Nagano reichlich naiv.
Und manchmal behalten die Schwierigen auch Recht. In Berlin prophezeite Thielemann der Deutschen Oper nach seinem Weggang den Abstieg in die Provinzialität. Genau dies trat ein. Hoffentlich ist die Münchner Kulturpolitik klüger. Bisherige Personalentscheidungen von Hans-Georg Küppers stimmen zwar optimistisch, aber es muss nicht sein, dass seine Glückssträhne anhält.
Robert Braunmüller