Chic, charmant und auch noch nachhaltig
Es riecht harzig. Betörend ist das, so wie im Wald oder in einem Sägewerk. Und irritierend in einer Stahlbetonburg wie der Pinakothek der Moderne. Mächtiges Wurzelgestrüpp macht sich dort im Nordtrakt breit. Dann folgen die restlichen 40 Meter einer entasteten Fichte, die natürlich den Raum dominiert. Ein vielsagendes Zeichen, denn in der aktuellen Ausstellung des Architekturmuseums geht es um nichts Angesagteres als das „Bauen mit Holz“.
Allerdings liegt der 84-jährige Baumhüne nicht nur dekorativ zwischen Schautafeln und Modellen, vielmehr darf er zeigen, was alles in ihm steckt. In vier Etappen unterteilt ist zu sehen, wie man diesem natürlichsten Baustofflieferanten zu Leibe rückt, vom Entrinden bis zur Aufspaltung in Latten, sozusagen als Grundlage für das, was sich nun im Folgenden auftut.
Und das sind erstaunliche Dinge. Sehr schnell wird hier mit weit verbreiteten Vorurteilen aufgeräumt. Das beginnt bei der Optik und endet mit kühnen Projekten in Sachen Statik. Holzhäuser müssen immer noch gegen das Image des allzu Bodenständigen, ja Biederen ankämpfen, chic, cool, stylish ist was anderes. Doch in ein paar Regionen wird dieser grandiose Irrtum längst widerlegt, still und leise, fern der großen Metropolen und lauten Medien.
Noch fremdeln die meisten Architekten mit dem Holzbau
Wer vor zehn, fünfzehn Jahren etwa durch den Bregenzerwald fuhr, staunte nicht schlecht über geschmackvolle, schlichte Holzgebäude, die sich dort wohltuend unter die alten Schindelhäuser mischen. Sie haben so gar nichts gemein mit den schwerfällig-barocken Holleraidulijö-Auswüchsen touristisch aufgebrezelter Alpenflecken. Außer eben dem Baustoff. In der Ausstellung, die Museumschef Winfried Nerdinger und sein TU-Kollege Hermann Kaufmann konzipiert haben, findet sich einiges wieder aus der Region um Dornbirn und Bregenz. Kaufmann selbst kommt aus Reuthe und betreibt neben seiner Lehrtätigkeit – er hat den einzigen Lehrstuhl für Holzbau in Europa inne – eines der raren auf Holzbau spezialisierten Architekturbüros.
Tatsächlich scheut das Gros seiner Kollegen, die Kiste Holz anzupacken. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand, untermauert von interessanten Zahlen. Der Wald liefert diesen uralten – nachhaltigen – Baustoff sozusagen en masse. Mit fast 3400 Millionen Kubikmetern Holzvorrat liegt Deutschland noch vor Schweden, Frankreich und Finnland an der europäischen Spitze. Und von den 70 Millionen Kubikmetern, die jährlich geerntet werden – 80 Millionen wachsen nach! – würde bereits ein Drittel ausreichen, um sämtliche Neubauten der Republik in Holz auszuführen.
Selbst Hochhäuser mit 20 Etagen sind drin
Selbst höhere Gebäude stellen keine Hürde mehr dar. In Bad Aibling steht ein achtstöckiges Wohn- und Bürogebäude, entworfen vom Münchner Büro Schankula, das durch Fertigmodule rasend schnell errichtet werden konnte. Während sich der Komplex durch seine Fassade offen zum Hauptbaustoff bekennt, verlangte der Brandschutz fürs Treppenhaus Beton. Zwanzig und mehr Etagen werden schließlich mit dem Projekt „Life Cycle Tower“ angepeilt. Und selbst die riesigen Dimensionen von Bahnhöfen oder Messehallen (Multihalle Mannheim, Odate Juka Dome Park der Präfektur Akita) sind dank neuer Technik, computergestützten Berechnungs- und Fertigungsmethoden mit Grandezza zu bewältigen.
Sicher, Holzmaserungen treffen nicht jedermanns Geschmack. Doch selbst hier zeigt die luzide Schau: auch „undercover“ geht was. Weder dem Alpenhotel Ammerwald, noch dem noblen Golfclubhaus Haesley Nine Bridges in Korea sieht man von außen an, dass so viel Holz im Spiel ist.
„Bauen mit Holz”, bis 5. Februar 2012 in der Pinakothek der Moderne, Katalog (Prestel) 34 Euro
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