Chefdirigent Gergiev "brennt" für die Isarphilharmonie

München - Zwei Wochen vor der Eröffnung wird noch gehämmert und gebohrt, auch wenn die Münchner Philharmoniker hier schon proben.
Das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 von Johannes Brahms liegt auf den Notenpulten. Jetzt aber steht der international bekannte Akustiker Yasuhisa Toyota auf der Bühne der Isarphilharmonie - "seines Saals". Das kann man auch deshalb sagen, weil Toyota massiv die Architektur mitbestimmt hat - bis hin zur Farbgestaltung, wie dem hellen Holz der Bühne in einem ansonsten auffallend dunklen Saal.
Isarphilharmonie: Man sitzt viel näher am Geschehen
Von hier blickt Toyota in den sanft ansteigenden Zuschauerraum, der völlig in Schwarz gehalten ist: seine Idee, die Idee eines "Psychoakustikers": "Man sitzt kompakt und im Dunklen, so dass alles Sinne auf die Bühne gelenkt werden, die halbrund den Zuschauer fast umarmen will." Der Raum für 1.800 Zuschauern ist nur halb so tief wie die Philharmonie im Gasteig. Man sitzt also viel näher am Geschehen.
Die Wände sind mit wild verspringenden Nadelholzbrettchen getäfelt. Die Elbphilharmonie ist das Gegenteil des Münchner Interimsneubaus: In Hamburg ist alles in Weiß gehalten, und die Zuschauer umschließen die Bühne wie ein Weinberg mit hängenden Rängen.
Auch sie hat Toyota nicht nur akustisch gestaltet. Welcher Saal klingt besser, wird er natürlich sofort gefragt? Aber wie ein Vater, der alle seine Kinder liebt, sagt er salomonisch: "Die Elbphilharmonie ist die große Schwester! Und wie bei uns Menschen hat jeder seine eigenen Talente."
Soloklarinettistin Gruber: "Es ist ein sanfterer Klang hier als im Gasteig"
Die Soloklarinettistin der Philharmoniker, Alexandra Gruber, beschreibt den Klang der neuen Isarphilharmonie klar und schmeichelhaft: "Es ist ein sanfterer Klang hier als im Gasteig. Man muss weniger aufdrehen. Hier klingt noch das Symphonische wie ein Kammerkonzert."
Valery Gergiev kommt leicht verspätet dazu, Toyota nutzt das für ein Selfie mit dem Chefdirigenten in ihrem neuen Saal. Gergiev lobt die Stadt München für die schnelle Verwirklichung und dass man sich von Corona nicht hat stoppen lassen. Und wie klingt der Saal für ihn? "Wir sind den zweiten Tag hier am Proben - und: Wir werden die Instrumentengruppen völlig anders anordnen als auf dem Podium des Gasteig. Schlagzeug und Blechbläser sind auf einer höheren Stufe wie ein umschließendes Band." Auch Gesang wurde schon ausprobiert. "Es gibt hier die Chance, klanglich einen Operneffekt zu erzeugen", so Gergiev: "Weil ich Chor und Sänger oben auf den neuen Zuschauerplätzen hinter der Bühne, also über dem Orchester, platzieren kann."
Akustiker Toyota: "Klang ist nicht nur eine Frage der Raumform"
Die Ränge der Isarphilharmonie werden zum Raum hin nur von einem Metallgitter als filigrane, durchsichtige Balustrade abgegrenzt. Ist das nur eine Spielerei mit optischer Transparenz? "Nein" sagt Toyota: "Erstens kann der Ton sich so, ohne an Mauern zu stoßen, überall hin entfalten. Und Klang ist natürlich nicht nur eine Frage der Raumform, sondern auch der Materialien. Die Wände bestehen aus Holz, ganz uneben, wo sich der Klang möglichst vielfach bricht, damit er rund und schön wird. Aber da sind noch diese Grillgitter und die schwingen wie Metallsaiten eines Instruments und geben dem Klang eine leicht härtere Prägnanz."
Chefdirigent Gergiev über die Isarphilharmonie: "I burn for it"
Ob die Isarphilharmonie einen feineren Klang hat als die alte Gasteig-Philharmonie, wird Gergiev am Ende gefragt, als man schon in den Gängen in Richtung der alten Industriehalle, der Foyerhalle E, gegangen ist, wo für die Radio- und Fernsehinterviews mehr Ruhe herrscht: "Ich lasse auf den Gasteig nichts kommen. Man musste nur lernen, ihn gut zu bespielen." Und wie lange muss man jetzt hier lernen? "Wir lernen seit vorgestern und es wird hier ganz schnell gehen", meint Gergiev. Bis zur Eröffnung am 8. Oktober will er bereits ausgelernt haben.
Der Pianist Igor Levit taucht auf, Valery Gergiev muss zum Proben für ein Gastspiel der Philharmoniker in Baden-Baden in den Saal zurück. Zeit für eine letzte Frage: Leonard Bernstein hat nach seinem ersten Konzert in der Gasteig-Philharmonie vor 40 Jahren grob gesagt: 'Burn it!' Was sagen Sie zur Isarphilharmonie? "Ich glaube, das mit Bernstein ist nur eine Anekdote. Aber zur Isarphilharmonie sage ich: I burn for it!"