Bully und die starkenTypen
Michael Herbig hat viele Unterhaltungs-Klassiker veralbert. Jetzt sind „Wickie und die starken Männer“ dran. Aber es ist ein guter Kinder-Familienfilm mit Witz geworden.
Kennen Sie den Professorenbegriff: Dekonstruktion? Jedenfalls hat sich der – neben Otto – erfolgreichste deutsche Regisseur dieser Methode bedient: Michael Herbig, erst 41 Jahre alt und seit seiner TV-Parade (1997 – 2002) freundschaftlich „Bully“ genannt. Denn abgesehen von seinem Spielfilm-Regiedebüt mit den Proll-Kunstfiguren „Erkan und Stefan“ (2000) waren von dem Münchner im Kino nur Demontagen bundesrepublikanischer Massenunterhaltungs- Mythen zu sehen: „Der Schuh des Manitu“ ruinierte 2000 die ehrvolle Erhabenheit der Westernhelden Karl Mays. Ebenso waren die Raumschiff-Abenteuer in den unendlichen Weiten des Weltalls von „Raumschiff Enterprise“ 2004 nur noch als Comedy- Verzerrungen im „(T)Raumschiff Surprise – Periode !“ wiederzuerkennen.
Gemeinsam war die Erfolgsmethode, sich – neben allem Klamauk – über die heldenhaften Männergesellschaften als Hort der Homosexualität lustig zu machen. Ernst hatte dies schon der exzentrische deutsche Literat und Überintellektuelle Arno Schmidt 1963 gesehen: Jeder Cowboy- und Indianer-Messerstich bei Karl May war für ihn eine unbewusste Penetration. Nur bei den letztlich unfassbar keusch-netten „Sissi“-Filmen versagte sich Herbig die Sexualisierung und flüchtete in „Lissi und der wilde Kaiser“ in das Trick-Film-Genre mit ironischem Liebes-Schmacht- Duell aus unendlichen Dacapo- „Sissi“- und „Franz“-Rufen, so dass sich Romy Schneider und Wirtschaftswunder- Sehnsuchts-Regisseur Ernst Marischka vielleicht im Grab gedreht haben: ob vor Entsetzen oder Lachen? Wer weiß? Jetzt kam „Wickie“ dran und auch hier blieb Bully natürlich wieder sauber. Wie die Romanfigur, die nach ihrer 78-teiligen TVSerie jeder kennt, der in den letzten 35 Jahren Kind war (siehe Kasten). Aus den großmäuligen wilden Zeichentrick- Kerlen sind Spielfilmfiguren geworden. Und zum ersten Mal wagt Michael Bully Herbig eine völlig Comedy-freie Adaption. Wenn auch mit dem Witz, den die Haudrauf-Wikinger- Geschichten haben, die immer vom Cleverle Wickie mit Köpfchen gelöst werden.
Der schwedische Fantasie- Ort an einem Fjord, Flake, liegt jetzt am Walchensee – aber man merkt das kaum, denn der Film ist professionell mit hohem Produktionsaufwand gedreht. Und wenn der Bergsee nicht weit genug nach Nordsee aussah, wurde der Drachensegler auf dem Trockenen vor Green-Screen gefilmt und das Meer Computer- trickreich eingebaut. Kein Wunder, denn mit Michael Herbig als Regisseur, Produzent und in einer Nebenrolle im Boot, kann man einiges riskieren: Fast 25 Millionen Zuschauer haben seine Filme, bei denen er Regie führte, bisher in Deutschland gesehen. „Wickie“ hat auch das Zeug, zum Publikumsliebling zu werden – zumindest bei allen, die noch in der Vor- Coolness-Phase sind. Denn letztlich verarbeitet der Film – wie seine Vorlagen – das kindliche Unterlegenheits-Trauma des Noch-nicht-Könnens oder Noch-nicht-Dürfens. Damit bleibt „Wickie und die starkenMänner“ ein gelungener Kinder-Familienfilm, der aber auf eine uns Erwachsene ansprechende Meta- Ebene verzichtet. Sieht man von dem Emanzipationsgeplänkel zwischen dem rau-patriarchalischen Dorf-Chef Halvar (Waldemar Kobus) und seiner Frau Ylva (Sanne Schnapp) ab. (Filmstart ist am 9. September).
Adrian Prechtel