Zweimal Michael Buthe

Michael Buthe in einer Doppelausstellung im Haus der Kunst und in der Sammlung Goetz
Roberta de Righi |
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Michael Buthe: Raaannubisritt / Rata (1983-84) Portfolio mit 14 Radierungen
Michael Buthe, VG Bild-Kunst, Bonn; Courtesy Sammlung Goetz, München Michael Buthe: Raaannubisritt / Rata (1983-84) Portfolio mit 14 Radierungen

Er war ein Hohepriester ornamental-versponnener Schönheit, nannte sich „Michel de la Sainte Beauté“. Jetzt kann man die spektakulär eigenartige Kunst von Michael Buthe (1944 – 1994) in einer Doppelausstellung erleben, die zeitgleich im Haus der Kunst und in der Sammlung Goetz stattfindet.

Während man im Haus der Kunst – die Retrospektive ist eine Kooperation mit dem Kunsthaus Luzern und dem Genter S.M.A.K. – einen Überblick über Buthes Oeuvre gewinnen kann, liegt im Hause Goetz der Focus auf der Freundschaft, die Ingvild Goetz mit dem exzentrischen Künstler seit den 1970er Jahren pflegte. Sie zeigt nun über 40 seiner Arbeiten, die mit Fotografien aus der Entstehungszeit ergänzt werden.

Sein Weg führte ihn von Sonthofen im Allgäu über die Kunstschulen von Kassel und Düsseldorf nach Köln und später Marokko, wo er, vor allem handwerklich, eine Fülle von Inspirationen wahrnahm und verarbeitete. Nicht zuletzt Harald Szeemanns und Jan Hoets Förderung beflügelten vor seinem frühen Tod Michael Buthes internationalen Ruhm. Zunächst aber fand er an Informel und Minimal vorbei zu einem fast barocken, das Sinnliche und das Sakrale verbindenden Kosmos, der formal der Arte Povera nahesteht und in seiner egozentrischen Mythologie an Beuys erinnert.

Im Frühwerk sind Wandobjekte aus zerschnittenen Stoffen und Zeichnungen strukturell und formal ähnlich. Doch Buthe strebt weiter zur Raum-Inszenierung, wie nebenan die „Taufkapelle für Mama und Papa“ von 1984 offenbart. Dabei war ihm der Prozess jedoch meist wichtiger als das Ergebnis – was auch dazu führte, dass der genaue Aufbau seiner Installationen nicht dokumentiert ist und sie heute schwierig originalgetreu zu rekonstruieren sind.

Mit kindlicher Begeisterung trug der Künstler Fundstücke wie Schwemmholz, ausrangiertes Geschirr und Geräte zusammen und baute sich daraus mal ein Pferd (1989) und mal einen leeren Thron („Le Roi est mort“, 1974/77). Aber er schuf weiterhin auch Wandarbeiten, farbsatte und facettenreiche Material-Collagen. Sogar seine Tagebücher sind dicke Folianten wie aus 1001 Nacht.

Leuchtkraft der Farben

In der Sammlung Goetz überwiegt hingegen das graphische Werk, das durch Leuchtkraft der Farben und Komplexität der Strukturen besticht. Der häufig vorkommende Dreiklang von Karmin, Purpur und Ultramarin erinnert nicht von ungefähr an die Schätze mittelalterlicher Buchmalerei. Und das sichtbare Monument der Freundschaft zwischen Ingvild Goetz und Michael Buthe war schließlich der Bau eines Meditations-„Tempels“ im Garten von Goetz‘ spanischem Ferienhaus, den „Michel de la Sainte Beauté“ gestaltete und dessen Einweihungs-Ritus er 1983 organisierte.

Eindrucksvoller Höhepunkt der Ausstellung im Haus der Kunst wiederum ist die „Die Heilige Nacht der Jungfräulichkeit“, die Buthe 1992 für die documenta IX schuf: 14 monumentale Kupfertafeln, aus deren geschwärztem Grund schemenhaft menschliche Figuren hervortreten. Diese Ritzzeichnungen umgeben einen nestartigen Leuchter, den zwei riesige goldene Eier krönen.

Und auch wenn man Buthes Faible für Sternchen und andere Glimmer-Effekte, etwa in „Le dernier secret de Fatima“ (1986), belächeln sollte, ist es schwer, sich der archaisch und authentisch wirkenden Transzendenz und Strahlkraft zu entziehen, die diese Installation auch noch in einem nüchternen Saal erzeugt.

Wem das an Spiritualität nicht genügt, dem sei noch der Besuch der Paulskirche empfohlen: Dort schwebt im Chor ein Bild Michael Buthes, das aus der Sammlung vom Vater des Schauspielers und Foto-Künstlers Stefan Hunstein stammt.

Haus der Kunst: bis 20. November, Mo-So 10-20, Do 10-22 Uhr, Sammlung Goetz (Oberföhringer Str. 103): bis 3. Dezember, Do, Fr 14-18, Sa 11-16 Uhr (Anmeldung unter 089/95939690), Paulskirche (St.-Paulspl. 11): bis 3. Dezember, tägl. 8.30-17 Uhr

 

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