Wohl nicht aktiv kommuniziert?

Der Flaneur plädiert für eine Stärkung der Sprecherrolle - auch Frau Merkel tät's gut.  
von  Flaneur

Der Flaneur plädiert für eine Stärkung der Sprecherrolle - auch Frau Merkel tät's gut.

Da schimpft man immer so pauschal und unqualifiziert auf die Politiker, anstatt ihnen auch mal dankbar zu sein. In Zuge der schleppenden Aufarbeitungsbemühungen um die Morde der ekelerregenden Zwickauer Neonazizelle (die NSU zu nennen ich mich weigere, weil das für mich immer noch ein flottes Motorrad ist) kommt es ständig zu peinlichen Pannen. Doch dafür gibt es den Sprecher, der mit dem Dichter verwandt ist. Beider Job ist es, die richtigen Worte für die Fatalitäten der Wirklichkeit zu finden.

Der Dichter lallt zartbitter vom Liebesschmerz, der Sprecher eines Ministeriums sagt, wenn wieder mal eine Akte verschlampt oder nicht weitergeleitet wurde, mit bretthartem Bedauern, der Vorgang sei "nicht aktiv kommuniziert" worden. Was für geniale drei Worte, universal in allen Bereichen mehrmals täglich verwendbar, durchaus auch in Liebesgedichten. Denn was ist Liebeskummer anderes als die Folge eines nicht ausreichend aktiven Kommunizierens.

Auch in der Oper würde sich der Supersatz nicht schlecht machen, nicht nur in der modernen. Egal, ob Mozart oder Verdi: die absurden Plots, die sich die Librettisten ausgedacht haben, nimmt das Publikum nur hin, weil die süsse Musik den Verstand benebelt. Fast alle unbegreiflich verstrickten Opernhandlungen liessen sich mit den drei Zauberworten zusammenfassen und befriedigend erklären. Ob "Cosi fan tutte", "Fidelio", "La Traviata" oder tausend andere Opern: nur weil nicht aktiv kommuniziert wurde, kommt es zu Komplikationen und oft genug zu Bluttaten.

Ich wünsche mir, liebe Staatsoper, Inszenierungen mit hinzugefügter Sprecherrolle. Ein kraftvoller Bariton vielleicht, der mit scharfen Augen durch das irre Treiben schreitet, wie ein Schiedsrichter pfeift und das Spiel kurz anhält, wenn in der Handlung eine Informationsbehinderung erkennbar ist. Dann beklagt er das Geschehen mit einem wohltönenden Rezitativ: "Nicht-ak-tiv-kom-mu-ni-ziert".

Wie klug und weise, wie wertvoll wäre dieser Hinweis auf eine Störung im glatten Lauf der Dinge, mit der manches Elend und viele Konflikte dieser Welt ihren Ausgang nehmen. Gesungen klingt das Lamento noch überzeugender - vielleicht sogar unter einer auf der Bühne stehenden Dusche (wie der Bajazzo in Woody Allens hinreissendem neuen Film "To Rome With Love"). Vielleicht wäre sogar der warmduschende Regierungsmustersprecher Steffen Seibert die ideale Besetzung. Könnte auch für die Merkel entspannend sein: mal nicht aktiv kommunizieren, mal nicht auf den harten Stühlen von Bayreuth sitzen, sondern bequem und passiv im Münchner Opernhaus ihrem Sprecher lauschen.

 

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