Wo der Vermieter zugleich Mieter ist

BAYREUTH - Um die Bayreuther Festspiele am Leben zu erhalten, gibt es die Richard-Wagner-Stiftung – ihr gehört das weltbekannte Opernhaus auf dem Grünen Hügel. Nun sitzt in dieser gemeinnützigen Institution aber nicht nur die Familie Wagner – die Mehrheit der Stimmen im Stiftungsrat haben die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern. Bund und Land sind die Hauptgegner in einem Streit um Einfluss, den die Angehörigen von Wieland Wagner nun verloren haben.
Wielands Tochter Nike, die Leiterin des Bonner Beethovenfestes, ihre Geschwister und ihre Tante Verena Lafferentz-Wagner fürchten um den Einfluss der Familie auf die Geschicke der Festspiele – wegen eines Mietvertrags für das Opernhaus. Sie sehen in den Details des Vertrags ein Mittel, ihre verbrieften Rechte zu beschneiden. Deshalb klagten sie vor dem Landgericht Bayreuth gegen zwei Einrichtungen, in denen Bund und Freistaat viel Einfluss haben: die Bayreuther Festspiele GmbH und die Wagner-Stiftung. Gestern erlitten sie eine Niederlage.
Wieland Wagner hatte die Richard-Wagner-Festspiele von 1951 bis 1966 gemeinsam mit seinem Bruder Wolfgang geleitet. Nach Wielands Tod übernahm Wolfgang allein die Führung. 1973 entstand die gemeinnützige Stiftung, das Festspielhaus und alle anderen Liegenschaften gingen auf sie über.
Verschachtelte Konstruktionen
Die Bayreuther Tradition will es, dass die Wagner-Familie mitreden kann. Und so steckt hinter der scheinbar trockenen Angelegenheit „Mietvertrag“ die Frage um die Macht in jenen beiden Einrichtungen, die über die Festspiele entscheiden: Stiftung und GmbH. Die Stiftung soll garantieren, dass nur Werke des Bayreuther Komponisten auf dem Grünen Hügel aufgeführt werden. In Paragraf 8 ihrer Satzung steht auch, dass es Sache der Stiftung ist, den Festspielleiter zu bestimmen – die Familie Wagner aber ein Vorschlagsrecht hat. Außerdem sagt die Satzung, dass grundsätzlich ein Mitglied der Familie Wagner als Festspielleiter zu benennen ist.
Hier kommt der Mietvertrag ins Spiel. Die Stiftung, in der eben Bund und Land die Mehrheit haben, hat das Opernhaus seit Frühjahr 2014 außergewöhnlich lange vermietet: bis 2040 – und zwar an die Festspiele GmbH, die für den Spielbetrieb zuständig ist. Die Gesellschafter sind, neben anderen – wiederum Bund und Freistaat.
Das heißt: Bund und Land haben eine Doppelrolle, sie haben ein Geschäft mit sich selbst gemacht. Je nach Situation haben sie mal den Hut der Vermieter auf, mal den der Mieter. Im Unternehmen und in der Stiftung sitzen zum Teil dieselben Menschen, für den Freistaat etwa Ministerialdirigent Toni Schmid, für den Bund Martin Eifler.
Schwebende Umwirksamkeit
Der Familien-Stamm von Wieland Wagner hatte nach Angaben seines Anwalts bei Vergleichsverhandlungen erreichen wollen, dass die Stiftung den Mietvertrag kündigen kann, wenn die GmbH sich nicht an die Satzung hält. Das konnte die Familie nicht durchsetzen, im Gegenteil: Aus einer Nebenregelung zum Vertrag ergibt sich, dass der Mietvertrag nicht außerordentlich gekündigt werden kann, selbst wenn die GmbH das Auswahlverfahren der Stiftung missachten würde. Bund und Land könnten nun wegen dieser Details fast allein über die Leitung entscheiden.
Der Mietvertrag sei zwar schwebend unwirksam, weil in einer Nebenregelung eine Unterschrift fehle, sagt der Richter in seiner Urteilsbegründung. Der Vertrag diene aber nicht dazu, die Kläger zu schädigen. Die Kläger-Seite will mit Kommentaren zum Urteil warten, bis das Urteil schriftlich vorliegt. Ein Anwalt der Festspiele GmbH sieht sich aber bestätigt: Die Unterschrift könne nachgeholt werden, es handle sich nur um einen formellen Fehler.
Falls die Stiftung das Problem „heilt“ und die fehlende Unterschrift auf die Nebenregelung setzt, so ist das Opernhaus bis 2040 fix in den Händen der Festspiele GmbH. Sollten die Festspiele einst eine neue Leitung brauchen, wird sich zeigen, ob die GmbH an der Bayreuther Tradition festhält.