Wir waren es nicht!

Boulevardspäße und Rampentheater: Sven-Eric Bechtolf inzeniert Mozarts „Cosi fan tutte“ in Salzburg
von  Volker Boser

Boulevardspäße und Rampentheater: Sven-Eric Bechtolf inzeniert Mozarts „Così fan tutte“ in Salzburg

Oper macht gelegentlich aggressiv. Als eine Dame hinter mir ihren Unwillen durch heftiges Buh kundtat, drehte sich mein Nachbar um, rief laut: „Blöde Kuh!“ und stürmte wütend nach draußen. Auch wenn man über die Notwendigkeit lautstark geäußerter Ablehnung streiten kann – diesmal hatten die Protestierer leider Recht: Eine ähnlich uninspirierte, unerhebliche und langweilige Aufführung von Mozarts „Così fan tutte“ haben die Salzburger Festspiele wohl selten erlebt.

Selbst die in Teilen anfechtbare Deutung von Claus Guth vor einigen Jahren bot ein akzeptables Konzept. Sven-Eric Bechtolf hat dagegen im Wesentlichen seine Zürcher Inszenierung von 2009 aufpoliert. Mit wenigen Änderungen: Statt in einen kantigen Raum blickt der Salzburger Zuschauer im Haus für Mozart nun in die Rundung eines riesiges Gewächshauses (Bühne: Rolf Glittenberg). Und das ist elegant anzusehen, für Boulevard-Späße wie geschaffen.

Man kann sich hinter Blumenkübeln verstecken, unter einen Tisch krabbeln, Klamotte wagen. Schon im Vorfeld hatte der Regisseur angedroht: „Ich hoffe, es wird gelacht.“ Dabei ist Mozarts „Così fan tutte“ weit weniger komisch, als es uns die Inszenierung weismacht. Im Gegenteil: Wenigstens in Ansätzen hätte aufgezeigt werden müssen, warum sich Text und Musik oftmals zu widersprechen scheinen, etwa wenn die heuchlerische Maskerade auf der Bühne in einem geradezu herzbewegendem Abschiedsquintett geradezu konterkariert wird.

Stattdessen Schnickschnack: Ferrando darf sein schmächtiges Tenor-Outfit in Bodybuilder-Posen präsentieren. Dorabella trinkt sich Mut an, bevor sie sich lallend für Guglielmo entscheidet („Prenderò quel brunettino“), Fiordiligi fällt ein ums andere Mal in Ohnmacht. Ein kleiner Teich in der Bühnenmitte zeigt schon während der Ouvertüre die beiden Damen beim Plantschen. Und ein Geigenbogen zwischen Männerbeinen ist doch auch lustig. Oder etwa nicht?

Szenisch Klamotte, Rampentheater, zu allem Unglück aber auch musikalisch höchst fragwürdig: Ursprünglich sollte Franz Welser-Möst den Taktstock schwingen. Doch er geriet sich mit Noch-Intendant Alexander Pereira wegen zusätzlicher Aufführungstermine in die Haare. Christoph Eschenbach darf nun den gesamten Da-Ponte-Zyklus dirigieren, eine fragwürdige Entscheidung, nimmt man sein „Così“-Debüt als Maßstab. Da stimmte gar nichts, weder Balance, noch Tonfall, weder Dynamik noch Tempi.

Die Wiener Philharmoniker machten ihre allseits gefürchtete Drohung wahr, so zu spielen, wie es ihnen der Dirigent vorgibt – ähnlich uncharmant, geradezu hölzern hat man dieses Weltklasseorchester selten gehört. Licht und Schatten auch bei den Sängern: Gerald Finley (Don Alfonso) und Luca Pisaroni (Guglielmo) zeigten als einzige Festspielniveau – Malin Hartelius (Fiordiligi), Marie-Claude Chappuis (Dorabella) und Martina Janková (Despina) boten Leistungen, die man auch in mittleren Stadttheatern finden kann. Martin Mitterrutzner (Ferrando) wirkte schlicht überfordert.

Als sich Eschenbach am Schluss auf der Bühne dem Buh und einigem Beifall stellte, ignorierten die Wiener Philharmoniker hartnäckig seine Geste, sich doch bitte zu erheben. Erst als die Buhs verklungen waren, gaben sie sich die Ehre – als wollten sie demonstrieren: Wir waren es nicht!
 

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