Willy Astor: Der Wortspieler in der Ideenflut

Willy Astor hat ein neues Gitarrenalbum und gastiert als Wortakrobat mit "Reim Time" am Sonntag wieder im Deutschen Theater. Ein AZ-Interview.
von  Interview: Thomas Becker
Willy Astor.
Willy Astor. © Lena Semmelroggen

München - Manche Künstler durchqueren in ihrer langen Karriere so manche Wüste der Inspiration, doch Willy Astor läuft von Oase zu Oase. Kreative Blockade? Ah geh, dazu hat Astor einfach viel zu viele Ideen.

Der 56-jährige Musiker und Kabarettist aus dem Hasenbergl ist gelernter Maschinenbautechniker. Ein Interview mit Willy Astor.

AZ: Herr Astor, seit mehr als 30 Jahren sind Sie nun schon professioneller Wortspieler. Hat man nicht irgendwann mal jeden Wortwitz gemacht? Wo holen Sie das immer wieder her?
WILLY ASTOR: In der Musik denkt man ja auch, dass nach Bach und Mozart nichts mehr kommen kann. Aber die deutsche Sprache ist einfach ein Riesen-Fundus. Ich merke aber schon, dass manche Neologismen immer raffinierter werden, auch raffinierter werden müssen, damit ich mich nicht in meinen eigenen Dopplungen verfange. Bis jetzt ist mir das gelungen, die Leute haben schon noch sehr viel Spaß mit mir. Sie spüren wahrscheinlich auch: Der Humor kommt direkt vom Erzeuger. Viele bayerische Kabarettisten, die in den großen Hallen spielen, haben ja Ghostwriter. Bei mir kommt alles noch irgendwo her, und da bin auch stolz drauf. Ich habe einfach Spaß an meiner Arbeit, und daher fällt mir immer wieder was ein.

Sie habe eine erwachsene Tochter und drei kleinere Kinder zwischen zehn Wochen und sechs Jahren - die inspirieren Sie sicher auch, oder?
Absolut. Der Dreijährige hat neulich gesagt: "Alarm, Alarm, ein Wald ist ausgebrochen! Wir müssen die Feuerwehr holen!" Ich sagte: 'Du meinst, ein Brand ist ausgebrochen, im Wald." Darauf er: "Ja, ja, genau." Das ist ein lustiger Kosmos. Das Kind im Manne ist bei mir auf jeden Fall noch vorhanden.

Wie systematisch funktioniert Ihre Humorarbeit? Schreiben Sie immer alles gleich auf? Lose-Blatt-Sammlung oder wird ordentlich abgeheftet?
Beides. Ich schreibe immer alles irgendwohin. Das ist auch mein Problem: Ich kann Dinge ganz schlecht archivieren oder strukturieren. Meine Ideenbücher sind meine Lebensretter, wenn ich versuche zu rekapitulieren, was mir im letzten Monat so eingefallen ist. Dann mache ich die Kladde auf und schaue nach. Ich bin so dermaßen analog unterwegs. Kreatives Chaos. Ich habe einfach so viele Ideen: kurz nach dem Aufwachen, kurz vorm Einschlafen. In den letzten acht Wochen hab' ich allein 350 Ideen in mein iPhone rein diktiert. Das sind auch super Sachen dabei. Wenn ich das dann abhöre und rausschreibe, denke ich immer: "Mein Gott, ich laufe hier mit den Perlen meines Geistes umeinander." Aber schauen, ob daraus mal eine größere Nummer entsteht, das geht einfach nicht nebenbei, da braucht man Zeit.

Am Computer oder vorm Schreibblock?
Erst mal auf Papier. Vielleicht bin ich da abergläubisch, aber im Geschriebenen liegt mehr Kraft, weil die Energie beim Schreiben eine andere ist. Es impulsiert die Intuition sozusagen nochmal zurück. Klar entstehen beim Reinschreiben in den Computer noch Verbesserungen, aber ich hebe alle meine Texte in allen Versionen i Papier auf, schmeiße die nicht weg, weil ich mir denke: "Da war noch was dabei, was du vergessen hast." Ich bin halt Jäger und Sammler, und ich forsche weiter.

Wie umfangreich ist Ihr Kladden-Archiv?
Bestimmt 20 Stück. Zur Zeit habe ich eine jägergrüne - wahrscheinlich weil mein nächstes Programm im kommenden Herbst "Jäger des verlorenen Satzes" heißen wird. In "Reim Time" bekommt man da schon mal einen leichten Vorgeschmack. Ich bin schon froh, dass mir in "Reim Time" so viele lustige Sachen eingefallen sind, zum Beispiel dieses sagenhafte Senioren-Medley, ein echtes Highlight. Ich ziehe das Alter und Altern durch den Kakao, mittlerweile betrifft mich das ja auch selber. Als '61er-Baujahr kann ich nicht mehr sagen "Hälfte is rum".

Gleichzeitig bedienen Sie aber auch das ganz junge Publikum...
Mit dem Programm "Kindischer Ozean", genau. Da spielt meine Tochter mit, am Sonntag im Lustspielhaus. Das ist nur Schabernack, die Kinder stehen da drauf. Das Gewürz in meinem Tourleben ist, dass ich viele Programme spielen kann und nicht nur eindimensional Stand-up.

Ihr Gitarrenprogramm "Sound of Islands" hat auch frische Nahrung bekommen...
Nach sechs Jahren Pause hab' ich ein neues Album gemacht, ein reines Gitarrenalbum mit einem weltmusikalischen Ansatz, von Bossa Nova bis Tango, im Finger-Style, mit einer kleinen feinen Band mit lauter studierten Hipsters so um die 30. Das Coole ist, dass die mit 14 Riesen-Fans von mir waren - und jetzt bin ich der Brötchengeber. Ich lerne unglaublich von denen, weil die alle Jazzklavier studiert oder sechs Jahre klassische Gitarre am Konservatorium gelernt haben - da fallen mir die Augen raus. Eine Win-win-Situation. Das erleichtert die Zusammenarbeit, wenn denen meine Sachen gefallen haben und sie auch ein bisschen stolz sind, dass wir zusammen spielen. Schön, eine Band am Laufen zu haben, anstatt immer alles allein an der Backe zu haben!

Und dann gibt's ja noch den Liedermacher Willy Astor...
Die "Chance Songs", wie Chansons ausgesprochen. Ich sag' mal so: Ich versuche viele Dinge gut zu machen, will aber nicht der Hans Dampf in allen Gassen werden. Die Qualität muss einfach stimmen. Aber wieso soll ein Komödiant, der 17 angefangen hat Gitarre zu spielen, die ersten drei Jahre Reinhard-Mey-Zeug gespielt hat, später nicht selber Lieder schreiben? Die Liedermacherei begleitet mich einfach. Jetzt habe ich auch so viel erlebt: Beziehungsdramen, Glück und Pech - was das Leben halt so bereit hält. Da schreibe ich lieber ein Lied drüber als mich beim Therapeuten auf die Couch zu legen.


Willy Astor an diesem Sonntag, 3. Dezember, im Lustspielhaus mit "Kindischer Ozean" zu sehen und am Montag, 4. Dezember, im Deutschen Theater mit "Reim Time"

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