Wilfried Hiller über die Oper „Der Flaschengeist“ und sein Problem mit der Kirche
Ein Geist sitzt in der Flasche und muss alle Wünsche erfüllen. Dieses Märchen-Motiv hat viele Schriftsteller inspiriert. Eine Version stammt von Robert Louis Stevenson („Die Schatzinsel“). Bei ihm spielt die Geschichte in der Südsee. Der Komponist Wilfried Hiller hat sie in eine Oper verwandelt, die heute vom Gärtnerplatztheater um 19.30 Uhr im Carl-Orff-Saal des Gasteig uraufgeführt wird.
AZ: Herr Hiller, ein Geist, der Wünsche erfüllt, ist der nicht praktisch?
WILFRIED HILLER: Der Haken ist: Wer die Flasche nicht rechtzeitig los wird, verfällt dem Teufel. Und man muss sie billiger verkaufen, als man sie erworben hat. Unterhalb von zwei Cent wird das schwierig.
Warum spielt die Geschichte ausgerechnet in der Südsee?
Robert Louis Stevenson schrieb „Der Flaschengeist“ auf Samoa. Die Einwohner dieser Insel glaubten, Stevenson müsste einen Flaschenteufel besitzen, weil er Geld hatte, obwohl er nur am Schreibtisch saß, anstatt zu fischen oder etwas zu verkaufen.
Die Version der Flaschenteufel-Geschichte, die ich kenne, spielt aber in Venedig.
Sie meinen „Das Galgenmännlein“ von Friedrich de la Motte Fouqué. Diese Version wollte auch Michael Ende bearbeiten, mit dem ich das Projekt vor fast 30 Jahren begonnen habe.
Warum wurde es nicht fertig?
Michael Endes Arzt sagte 1995: „Schreiben Sie lieber ihr Testament und keine Operntexte. Sie werden den Sommern nicht überleben.“ Und so kam es. Der Gärtnerplatz-Intendant Ernst Josef Köpplinger hat mich ermutigt, die Oper nun mit dem Schriftsteller Felix Mitterer zu beenden.
Was ist von der Urfassung noch übrig geblieben?
Michael Ende hinterließ nur ein Szenarium und eine fertige Szene, die ich damals komponiert habe. Sie steht nun am Schluss. Der wiegende Barcarolen-Rhythmus erinnert noch daran, dass die Geschichte in Venedig spielen sollte. Mich hat Stevensons Version mehr angezogen – weil ich in meiner Jugend an Tuberkulose litt – wie er.
Sie verwenden viel Schlagzeug – eine Hommage an Ihren Lehrer Carl Orff?
Im „Flaschenteufel“ gibt es 56 Schlaginstrumente, überwiegend aus dem asiatischen Raum. Ich bin ein Komponist mit einem Examen – als Schlagzeuger. 1968 habe ich in der Uraufführung von Orffs „Prometheus“ im Münchner Nationaltheater mitgespielt. Das faszinierte mich. Daraufhin wollte ich bei ihm studieren. Von Orff habe ich gelernt, mir die Neugier stets zu bewahren. Er hatte immer die allerneuesten Partituren von Penderecki, Ligeti oder Stockhausen in seinem Haus.
Warum ist der Teufel ein Countertenor?
Ich habe die Rolle eigentlich für einen Koloratursopran komponiert. Meiner verstorbene Frau fiel auf, dass alle negativen Figuren in meinen Opern Frauen sind. Das hat mich nachdenklich gemacht. Sie hat mir einen Counter vorgeschlagen, ich habe mir Platten angehört und mich in diese Stimmfarbe verliebt.
Einmal verwandelt sich der Teufel auch in einen Priester. Hadern Sie mit der Kirche?
Ich besuchte das Augsburger Klosterinternat der Benediktinerpatres und wurde dort zum Missbrauchs-Opfer. Der Schauspieler und Kabarettist Michael Lerchenberg war an der gleichen Schule und hat dort ähnliche Erfahrungen gemacht. Ich habe lange gezögert darüber zu sprechen. Immerhin hat mich die Sache nun zu dieser Szene inspiriert – und jetzt ist es weg.
Ab welchem Alter kann man mit Kindern in den „Flaschengeist“ gehen?
Es ist keine typische Kinderoper. „Der Flaschengeist“ spielt im Seemannsmilieu. Da wird auch mal geflucht. Komponiert habe ich es für mich selbst – und für Erwachsene ab neun Jahren.
Carl-Orff-Saal, Gasteig, bis 28. Februar 2014, Karten und Infos unter Telefon 2185 1960