Wie wird die kommende Saison? - Kammerspiele: Metaphysik des Theaters
Vor der Vormittagsvorstellung von "Nachmittag der Maulwürfe" tummelten sich die pelzigen Tierchen gestern durch die Pressekonferenz, in der die Münchner Kammerspiele ihre Pläne für die nächste Spielzeit verkündeten. Intendant Matthias Lilienthal hielt sich allerdings diskret im Hintergrund auf und überließ die Leitung der Veranstaltung der souveränen Ensemblesprecherin Julia Riedler.
Wer will, kann den Auftritt der Maulwürfe, die druckfrisches Infomaterial zerknitterten und sich mit backfrischen Brezen bewarfen, metaphorisch verstehen: Die Kammerspiele sehen sich als die Murmeltiere, die den gepflegt gemütlichen Garten der Münchner Kultur durchbuddeln und den nach geordnetem Grün strebenden Gärtner auf Trab halten. Im Dezember wird Hausregisseur Christopher Rüping an diese Tradition des Hauses erinnern und inszeniert Bertolt Brechts "Trommeln in der Nacht".
Zur Uraufführung im Jahr 1922 hatte Otto Falckenberg im Schauspielhaus den legendär gewordenen Satz "Glotzt nicht so romantisch" plakatieren lassen.
Motto der Saison 2017/2018 ist allerdings nicht Untergrund, sondern "Unterwegs". Schwerpunkt sind verschiedene Formen von Mobilität und Migration. Eröffungsproduktion ist daher am 28. September die Adaption von "On The Road", der Beatnik-Bibel von Jack Kerouac in einer Inszenierung des ungarischen Opernregisseurs David Marton.
Es wird wieder viele Uraufführungen zu feiern geben. Die junge Filmregisseurin Uisenma Borchu gibt zusammen mit ihrem Vater, einem mongolischen Maler, der in die DDR ausgewandert war, ihr Theaterdebüt mit "Nachts, als die Sonne für mich schien". Die Fantasie einer Welt ohne Frauen entwickelt der US-Choreogaf Trajal Harrell in "Juliet & Romeo" entlang der ähnlich lautenden Shakespeare-Tragödie. Das aktuelle Befinden der vielen griechischen Einwanderer in der Landeshauptstadt erkunden Anestis Azas und Podromos Tsinikoris mit dem Projekt "Hellas München".
2018 folgen "No Sex" von Toshiki Okada, "Die Hand ist ein einsamer Jäger" von Katja Brunner und inszeniert von Marta Górnicka, "New Beginnings" von Alexander Giesche sowie eine noch unbetitelte Arbeit von Lola Arias mit dem neu gegründeten Open Border Ensemble, einer Truppe innerhalb des Kammerspiel-Ensembles, als weitere Uraufführungen.
Ein alter Bekannter ist hingegen "Mittelreich", das von Anta Helena Recke mit einer Besetzung dunkelhäutiger Darsteller reinszeniert werden soll. Eine Genehmigung von Josef Bierbichler, der die Romanvorlage schrieb, liege allerdings, wie Lilienthal erklärte, noch nicht vor.
Keine Probleme gibt es mit anderen Romanadaptionen: Stefan Pucher hat im November Premiere mit "Wartesaal" nach "Erfolg", "Exil" und "Geschwister Oppermann" von Lion Feuchtwanger. Amir Reza Koohestani zeigt ab März "Die Attentäterin" nach dem Roman von Yasmina Khadra. Die ambitionierteste Buchtransformation dürfte allerdings Nicolas Stemanns "Kant" im Januar sein – eine Dramatisierung von "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" des Aufklärers aus Königsberg.
Lesen Sie hier: "Miranda Julys Der erste fiese Typ" in der Kammer 1