Wenn das grüne Cabrio beschwingt auf die Bühne braust

Die Theaterakademie zeigt Händels selten gespielte Oper „Imeneo“ in der Reaktorhalle
von  Marco Frei

Im Münchner Musikleben gibt es einige Merkwürdigkeiten. Eine davon sind Programm-Epidemien, die in ermüdender Regelmäßigkeit hereinbrechen. Derzeit scheint ein Händel-Fieber heftig zu grassieren, was durchaus verständlich ist. Denn unter Nikolaus Bachler wird an der Bayerischen Staatsoper der Barock generell vernachlässigt. Dass diese Lücke andere füllen, ist lobenswert. Allerdings ist nicht alles Gold, das glänzt - auch bei einem Genius wie Georg Friedrich Händel. Abseits der allseits bekannten Trampelpfade gibt es auch bei ihm Raritäten, die eine Ausgrabung nur bedingt lohnen.

Ein solches Werk ist die Oper „Imeneo“, die die Bayerische Theaterakademie gegenwärtig zeigt. Die verwicklungsreiche Liebesstory ist hanebüchen wie Händels „Semele“, die das Gärtnerplatztheater ausgegraben hat. Der Titelheld Imeneo (Eric Ander) befreit die entführten Frauen Rosmene (Soomin Yu) und Clomiri (Frauke Burg). Als Dank verlangt er nach Rosmene, die bereits ein Techtelmechtel mit Tirinto (Idunnu Münch) hat. Rosmene muss sich entscheiden, zumal sich Clomiris Bruder Argenio (Marios Sarantidis) seinerseits in Tirinto verguckt hat - und Clomiri schwärmt für Imeneo.

Daraus etwas Bühnentaugliches zu schustern, ist wahrlich nicht einfach. Regisseurin Mira Ebert, die bereits in Augsburg wirkte, lässt Imeneo in einem grünen Cabrio auf die Bühne brausen – zunächst noch in Röckchen und mit Stöckelschuhen. Das ist der flotteste Moment dieser Regie. Sonst aber lässt Ebert den liebestollen Reigen auf zwei Ebenen spielen (Bühne und Kostüme: Ivan Bazak). Leider wird diese Aufteilung der Szene im Grunde kaum genutzt: Etwas statisch und nüchtern bleibt die Regie, der Humor macht sich insgesamt rar. Hier hatte Karoline Gruber, die für den Gärtnerplatz im Cuvilliéstheater Händels „Semele“ inszenierte, eine weitaus glücklichere Hand.

Dafür aber punkteten die jungen Gesangsstudenten: Hinter den Gärtnerplatz-Profis brauchten sie sich nicht zu verstecken. Dabei profitierten sie auch vom agilen Barockorchester der Münchner Musikhochschule. Unter der Leitung von Joachim Tschiedel wurde vielfach ein Originalklang freigelegt, der beschwingter und gelöster wirkte als bei den Gärtnerplatz-Musikern. Trotzdem offenbart das gegenwärtige Händel-Fieber einmal mehr den gewaltigen Nachholbedarf, den die Musik-Metropole München in der historischen Aufführungspraxis hat. Hier ist München ein Provinznest.

Noch bis zum 10. November, 20 Uhr, Reaktorhalle, Luisenstraße

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