Weihnachtlicher Theaterabend: Feiern nach dem befreienden Knall

Urs Schleiff inszeniert "Alle unter einer Tanne" in der Komödie im Bayerischen Hof.
von  Anne Fritsch
Viola Wedekind (links), Rüdiger Joswig und Armin Riahi (vorne) sowie Claudia Wenzel in Lo Malinkes Komödie.
Viola Wedekind (links), Rüdiger Joswig und Armin Riahi (vorne) sowie Claudia Wenzel in Lo Malinkes Komödie. © Alvise Predieri

München - Es ist nicht zu leugnen: Advent ist's. Und auf der Bühne: die obligatorische Weihnachtskomödie. Wenn Menschen, die die Gesellschaft der anderen das Jahr über tunlichst meiden, plötzlich Weihnachten mehrere Tage lang aufeinander hocken, sind Konflikte vorprogrammiert. Was eine Familienweihnacht zum perfekten Komödienstoff macht.

"Alle unter einer Tanne"

In der Komödie im Bayerischen Hof kann man nun schon mal kathartisch ein Worst-Case-Szenario durchleben, um dem eigenen Fest anschließend entspannt entgegenzusehen: So arg wie in Lo Malinkes Komödie "Alle unter eine Tanne", die Urs Schleiff hier inszeniert hat, wird's schon bei uns daheim nicht werden.

Klassisches Deutsches Weihnachten auf der Komödienbühne

Malinke treibt all das auf die (Baum-)Spitze, was in Familien für gewöhnlich zu Ex- und Implosionen führt: lange gehütete Geheimnisse und verschwiegene Kränkungen. Die Eltern, Robert und Ellie, sind inzwischen geschieden. Er hatte ein Verhältnis mit seiner Sprechstundenhilfe Chrissie, sie eine Affäre mit ihrem Motorrad-Lehrer Micha. Inzwischen sind beide in festen Partnerschaften mit ihren Neuen, nur die drei erwachsenen Kinder, die wissen das noch nicht. An Weihnachten muss Micha daher alljährlich aus Ellies Haus ausziehen, Robert kommt zurück, den Kindern wird die heile Familie vorgegaukelt: eine "Schmierenkomödie" im Sinne der Harmonie.

Doch diesmal schießt die Neue vom Vater, Chrissie, quer: Sie will endlich klaren Tisch machen und lädt sich selbst zu Weihnachten ein. So die explosive Situation, als die Kinder eintrudeln: Susanna (samt Ehemann Heiner und einer Insolvenz im Nacken), Tobias (der sein Studium abgebrochen hat) und Leonie (die heimlich schwanger ist). Lunten legt Malinke viele. Und sie werden alle gezündet am Heiligen Abend.

Explosive Familiengeheimnisse

Zu Anfang geht's allerdings noch etwas zäh los im klinisch-weiß-bemöbelten Wohnzimmer: Rüdiger Joswig und Claudia Wenzel kommen als ehemaliges Ehepaar herein, wuseln hyperaktiv durch den wenig heimeligen Raum und sind so damit beschäftigt, gleichzeitig falsche Fährten zu legen und Informationen zu droppen, dass die Situation verkrampft bleibt. Auch die Schwanzvergleiche, die unweigerlich folgen, als der Neue (gespielt von Armin Riahi) den Raum betritt, machen das Ganze nicht unbedingt lockerer. Erst als nacheinander Viola Wedekind (Chrissie), Katrin Filzen (Susanna), Ralf Komorr (Heiner), Frank Habatsch (Tobias) und Monika Reithofer (Leonie) dazukommen, wird die Situation zwar angespannter, die Spielweise aber natürlicher.

Aufgerissene Wunden und böse Sticheleien

Das Stück von Malinke ist voll von scharfen Repliken und bösen Sticheleien, die genau dahin zielen, wo Weihnachten besonders wehtut: in immer wieder aufreißende Wunden aus der Vergangenheit, die nicht verdrängt werden können, wenn diese Vergangenheit geballt mit am Tisch sitzt. Alle fallen in die Rollen zurück, die ihnen seit jeher zugewiesen ist: Susanna, die humorlose Kümmerin; Leonie, die verplante Dauerstudentin; Tobias, der schwule Sunnyboy.

Lügen, bis der Arzt kommt

Für alle gilt: Wenn man die Wahrheit nicht sagt, muss man mit der Lüge leben. Eine Notlüge folgt auf die nächste, Malinke dreht die Schraube immer weiter. Nicht nur Micha wird es irgendwann zu heiß: "Wenn's so weitergeht, bin ich morgen mit der Freundin deines Ex-Mannes verheiratet", sagt er zu Ellie, die ihn pro forma mit Chrissie verkuppelt hat. Natürlich brennt irgendwann der Baum, bevor der bis dato stumme Heiner das Wort erhebt und reinen Tisch macht. Besonders überraschend ist das alles nicht, letztendlich aber erfrischend menschlich. Und vielleicht eine gute Vorbereitung auf die eigenen Feiertage: Vorab-Katharsis quasi.


Bis 1. Januar, Sa, 15 und 19.30 Uhr, So, 18 Uhr, sonst 19.30 Uhr, www.komoedie-muenchen.de

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