"Weihnachten auf dem Balkon" mit Saskia Vester
Oma kichert bekifft und hat sich in den Weihnachtsmann verliebt, der gerade sturzbesoffen den Tannenbaum zerlegt hat. Die Ratte eines genderqueeren 16-Jährigen ist ausgebüchst und die als Nachtisch geplante Butterkremtorte muss vom Küchenboden aufgewischt werden. Und wäre das nicht genug, ist uns ein Kind geboren, denn es ist Heiliger Abend. Die Eltern heißen allerdings Anne und Hubert und leben in einem Mehrfamilienhaus in einer westeuropäischen Großstadt.
Vor allem aber ist man ständig an der frischen Luft. Gilles Dyrek, französischer Fachmann für beziehungszersetzende Komödiantik, verteilte für "Weihnachten auf dem Balkon" die gute alte Lustspiel-Dramaturgie des Tür-auf-Tür-zu auf gleich zwei Wohnungen. Von denen sind allerdings nur die jeweiligen Balkone sichtbar.
Lauter Doppelrollen
Damit diese Nacht auf keinen Fall zu still wird, hat der Autor eine ganz besondere Spielregel vorgegeben: Die insgesamt zwölf Rollen werden von sechs Schauspielerinnen und Schauspielern gespielt. Wer gerade in der einen Wohnung verschwindet, taucht schnell wieder als jemand anderes auf dem Nachbarbalkon auf. Kleine Pannen, die sich aus der Hochgeschwindigkeitslogistik hinter der Bühne ergeben, hat Regisseur Pascal Breuer gleich souverän mitinszeniert. Breuer hat die von Hausherrn René Heinersdorff (der auf älteren Plakaten noch als Regisseur genannt wird) bereits vor fünf Jahren für seine Theater in Köln und Düsseldorf inszenierte Produktion übernommen und renoviert.
Geblieben ist in der Komödie im Bayerischen Hof die naturalistische Hausfassade mit den beiden Balkonen im Bühnenbild von Markus Ganser. Völlig neu in München aber ist das Ensemble mit der wunderbar weiblichen Saskia Vester. Hier ist sie der egozentrische und doch traurig einsame Schwiegerdrachen Sophia, dort mit hurtig umgeschnalltem Babybauch die hysterienah verhuschte Anne im neunten Monat.
Am Rand des Nervenzusammenbruchs
Unter Annes Pantoffel steht ihr immer der Ohnmacht nahe, aber politisch korrekte Gatte Hubert, den Derek Nowak allerliebst spielt, während er auf dem anderen Balkon als aufgekratzter sechsjähriger Benjamin die Festgesellschaft nervt. Auch sein Vater Patrick widerspricht nur ungern seiner Frau, während Daniel Morgenroth als Metzger Christoph gegen die Familie seiner neuen Freundin Marie aufmuckt.
Wenn die frisch verliebte Marie behauptet, Christoph sei Chirurg, macht sie die Verhältnisse noch ein wenig unübersichtlicher. Johanna Klante taucht dann in der Nachbarschaft als resolute Mutter mit Kontrollzwang und am Rand des Nervenzusammenbruchs auf. Aykut Kayacik ist deren ständig mit seinem Seitensprung telefonierende Schwager Elmar sowie Huberts Bruder Jacob, der sich den Abend hemmungslos schön säuft. Benedikt Zimmermann wechselt verblüffend zwischen dem nonbinär pubertierenden Sebastian im Widerstand gegen seine bürgerliche Sippe und dem fassadenkletternden und notorisch lustigen Bernhard.
Harmonie schadet nie
Während Autor Dyrek das Stück lakonisch damit beendet, dass morgen "das Ganze noch mal von vorne" anfängt, weil dann Elenas Familie kommt, besteht Regisseur Breuer darauf, dass es um das Fest der Liebe geht. Für die Münchner Fassung gibt es einen neuen Schluss mit sich versöhnenden Pärchen. So viel Harmonie hätte es nicht gebraucht, sie schadet aber auch nicht. Das Premierenpublikum zeigte sich vom Pointenhagel zur Weihnachtszeit überzeugt und in bester Feierlaune.
Komödie im Bayerischen Hof, bis 7. Januar fast täglich um 19.30 Uhr, sonntags 19 Uhr, Telefon 29161633
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