Was Nikolaus Bachler, Kirill Petreno und Igor Zelensky für 2016/17 planen

Ein Platz für Seelenlandschaften: Nikolaus Bachler und Igor Zelensky geben im Nationaltheater die kommende Spielzeit von Staatsoper und Staatsballett bekannt
Robert Braunmüller |
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Die Drei vom Nationaltheater: Nikolaus Bachler (links), Kirill Petrenko und Igor Zelensky.
Wilfried Hösl Die Drei vom Nationaltheater: Nikolaus Bachler (links), Kirill Petrenko und Igor Zelensky.

Das Nationaltheater ist oft ausverkauft. Selbst bei einer Werbeveranstaltung mit anschließendem Verkauf der spektakulär illustrierten Saisonbroschüre „Was folgt“ füllt sich das Haus am Sonntagvormittag bis zum zweiten Rang. Es hängt eben auch mit dem Produkt zusammen: Was Nikolaus Bachler zu verkaufen hat, ist auf dem Papier von gediegenster Qualität. Und wenn es sich dann auf der Bühne materialisiert, fast immer auch.

In der kommenden Spielzeit dominieren eher seltener gespielte Werke. „Ich habe gemerkt, dass unser Publikum trotzdem kommt“, sagt Bachler. Als erste Premiere bringt er am 13. Oktober Gaetano Donizettis „La Favorite“ heraus. Amélie Niermeyer inszeniert. Elina Garanca singt die Titelpartie dieser frühen Grand Opéra zum ersten Mal szenisch, ihr Gatte Karel Mark Chicon dirigiert. „An diesem Haus singt Frau Garanca auch ohne Herrn Chichon und es dirigiert Herr Chichon ohne Frau Garanca!“, lässt uns Herr Bachler zu dieser Konstellation auf Nachfrage wissen. Was stimmt.

Ende November folgt Dmitri Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ mit Anja Kampe in der Hauptrolle. Der dann 81-jährige Harry Kupfer inszeniert, Kirill Petrenko hat die musikalische Leitung. Die zweite Premiere des Bayerischen Generalmusikdirektors wird Wagners „Tannhäuser“. Petrenko will das Beste aus den verschiedenen Fassungen wählen. Anja Harteros steht als Elisabeth auf der Bühne, Christian Gerhaher singt den Wolfram. An der schwierigen Titelpartie versucht sich Klaus Florian Vogt. Petrenko möchte eine Mischung aus der Pariser und Dresdner Fassung dirigieren – aus Respekt vor Wagners lebenslänglicher Beschäftigung mit seiner Oper.

Die Dame hinter dem Berichterstatter stöhnte „Schon wieder!“, als Romeo Castellucci in einem Einspielfilm verkündete, „Tannhäuser“ in eine Seelenlandschaft verlegen zu wollen. Auch vom nächsten Regisseur war sie nicht begeistert: Zur Eröffnung der Münchner Opernfestspiele 2017 inszeniert der beim konservativen Teil des Publikums immer noch wegen der schwulen Cowboys in seinem „Eugen Onegin“ berüchtigte Kryzstof Warlikowski. Er bringt eine für München überfällige Oper heraus: „Die Gezeichneten“ von Franz Schreker. Dirigent dieser in München zuletzt 1919 von Bruno Walter einstudierten Oper ist Ingo Metzmacher.

Lesen Sie auch das Interview mit Nikolaus Bachler

Als zweite Premiere der Festspiele gibt es im Prinzregententheater Carl Maria von Webers romantische Feenoper „Oberon“. Der österreichische Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan wird dieses heikle Werk inszenieren, Annette Dasch und Julian Prégardien singen, Ivor Bolton dirigiert. In die Vorschau konnte die Aufführung nicht mehr aufgenommen werden – Details stehen auf einem Lesezeichen.

Das neue Jahr beginnt in der Staatsoper italienisch. David Alden, der Lieblingsregisseur von Bachlers Vorgänger Sir Peter Jonas, kehrt mit Rossinis „Semiramide“ ans Nationaltheater zurück. Die amerikanische Wunderfrau Joyce DiDonato debütiert als babylonische Königin, Alex Esposito, Daniela Barcellonna und Lawrence Brownlee sind ihre Partner.

Im März inszeniert der Filmemacher und Opernregisseur Philipp Stölzl einen Opern-Reißer, der vor vielen Jahren zwar mal im Gärtnerplatztheater gespielt wurde, aber – kaum zu glauben – noch nie im Nationaltheater: Umberto Giordanos „Andrea Chénier“. Anja Harteros und Jonas Kaufmann singen das tragische Liebespaar, Omer Meir Wellber dirigiert.

Das Repertoire bleibt mit 45 Opern gewohnt groß, die Besetzungen attraktiv. Die im Januar uraufgeführte Oper „South Pole“ von Miroslaw Srnka kommt wieder. Kirill Petrenko dirigiert den „Rosenkavalier“ von Richard Strauss mit Anne Schwanewilms und Günther Groissböck. Seine Assistentin Oksana Lyniv übernimmt „Ariadne auf Naxos“. Adrianne Pieczonka und Francesco Meli übernehmen die Hauptrollen in Verdis „Un ballo in maschera“. Christian Gerhaher singt den Posa in „Don Carlos“. Der Dirigent Andris Nelsons leitet Aufführungen von Dvoráks „Rusalka“ mit Kristine Opolais – ein lettisches Ehepaar, für das Bachlers Spruch ebenfalls gilt.

Jonas Kaufmann und Anja Harteros sind auch in „La forza del destino“ zu hören. Auch Anna Netrebko schaut wieder vorbei: Sie singt im Dezember dreimal die Lady in Verdis „Macbeth“. Die Gruberova gastiert in Donizettis „Roberto Devereux“. Und Plácido Domingo lässt sich im Juni 2017 zum ersten Mal in München als Bariton hören: Er singt den Germont in „La traviata“.

Das Bayerische Staatsorchester geht mit Kirill Petrenko im Herbst auf eine Europatournee – unter anderem mit Gastspielen in der Mailänder Scala, in Luzern, Paris, Wien und Berlin. Petrenko ließ durchblicken, dass ihn der Wechsel von Hotel zu Hotel bei solchen Reisen anstrenge. Ob das die Berliner Philharmoniker gerne hören, bei denen er 2019 als Chefdirigent antritt? In München setzt Petrenko seinen Mahler-Zyklus mit der Fünften fort. Er leitet insgesamt drei Programme der Musikalischen Akademie. Solisten sind Igor Levit und der Kanadier Marc-André Hamelin. Die anderen Konzerte des Staatsorchesters dirigieren Barbara Hannigan, Heinz Holliger und Cornelius Meister.

Bleiben Wünsche offen? Seit Jahren wäre eine neue „Madame Butterfly“ der Bayerischen Staatsoper fällig. Die schrapplige Puccini-Uralt-Produktion bleibt dem Repertoire bis auf Weiteres erhalten. In der übernächsten Spielzeit wird der Stoff vom Bayerischen Staatsballett zu japanischer Musik getanzt. Das wäre ein guter Grund, auch die Oper neu herauszubringen – oder es wegen dieser Dopplung auch zu lassen. Wir üben uns in Geduld.

Die Premieren und der Spielplan sind ab heute online unter www.staatsoper.de. Die gedruckte Vorschau kostet 2,50 €


Was das Bayerische Staatsballett plant

Bei der Vorstellung der neuen Spielzeit der Staatsoper verkündete auch der neue Staatsballett-Chef Igor Zelensky seine Pläne. Er hätte als erste Premiere gerne Christopher Wheeldons „Alice im Wunderland“ vom Royal Ballett London übernommen – das war aus dispositionellen Gründen aber leider nicht möglich. Diese Choreographie eröffnet die Ballett-Festwoche 2017 – als Stück für die ganze Familie, wie Zelensky betonte.

Davor gibt es im Dezember das bombastische Sowjet-Spektakel „Spartacus“ zur Musik von Aram Chatschaturjan. Das Staatsballett wird als erste westliche Compagnie die Version von Yuri Grigorovich aus dem Jahr 1968 tanzen – eine trotz der tanzgeschichtlichen Bedeutung des Werks etwas befremdliche Entscheidung.

Echte Neuproduktionen folgen erst in der übernächsten Spielzeit: ein Ballett des Briten Wayne McGregor und ein Projekt zu „Madame Butterfly“ mit japanischer Musik. Herausgebracht wird es vom amerikanischen Fotografen und Regisseur David LaChapelle, dessen Porträt von Diana Damrau im ersten Stock des Nationaltheaters hängt.

Zur Eröffnung der Spielzeit gibt’s „Giselle“. Bei den Ballett-Festwochen 2017 gastiert Zelenskys Zweit-Truppe, das Ensemble des Moskauer Stanislawski- und Nemirowitsch-Dantchenko-Musiktheaters. Getanzt wird Kenneth MacMillans Habsburger-Drama „Mayerling“.

Zu den Veränderungen im Münchner Ensemble hielt sich Zelensky bedeckt – obwohl Nicht-Verlängerungen arbeitsrechtlich längst ausgesprochen sein müssten. Er will auf Synergien zwischen den beiden Compagnien setzen. Namen werden am Beginn der neuen Spielzeit genannt. Falsche Schlüsse sollte aus der gemeinsamen Präsentation des Programms auch niemand ziehen: Das Staatsballett bleibt auch in Zukunft unabhängig.

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