Was Martin Kusej in seiner letzten Spielzeit plant

Was Martin Kusej vor dem Abschied nach Wien noch am Residenztheater bringt
Robert Braunmüller |
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Martin Kusej, Pressesprecherin Sabine Rüter und Chefdramaturg Sebastian Huber im Residentheater.
Thomas Dashuber Martin Kusej, Pressesprecherin Sabine Rüter und Chefdramaturg Sebastian Huber im Residentheater.

Seit Beginn der Aufzeichnungen am Bayerischen Staatsschauspiel hat es nach gegenwärtigem Wissensstand noch nie so viele Abonnenten wie jetzt gegeben: 12 339 regelmäßig wiederkehrende Besucher hat das Residenztheater. Die Auslastung liegt bei respektablen 81,2 Prozent. Da passt der von Martin Kusej zitierte Spruch, dass man dann gehen soll, wenn es am schönsten ist.

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Eine Spielzeit hat der Intendant vor seinem Wechsel nach Wien noch vor sich. Und zwar mit Volldampf: „Ich habe keinen Grund, mich schon jetzt zu verabschieden“, sagt er.

Kusejs letzte Münchner Saison steht unter dem Motto „Spielen“. Er zitierte Schiller, den Mann, der seiner Ansicht nach heute für Netflix Serien schreiben würde: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

Spielen, nicht performen

Er sage das bewusst, und rede nicht vom „performen“, meinte der Intendant mit einem Seitenblick auf den kriselnden Nachbarn auf der anderen Seite der Maximilianstraße, die ihm die Leute ins Residenztheater treibt, obwohl ihm keine Kritik am Kollegen Lilienthal über die Lippen kommt.

Los geht es am 27. September mit einem Klassiker des Spieles im Spiel: „Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats, dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade“ von Peter Weiß. Tina Lanik inszeniert. Kusej selbst will bis Oktober in die tragischen Abgründe von Michael Frayns Hinterbühnenklamotte „Der nackte Wahnsinn“ blicken: „Ich leiste mir diesen Spaß“, sagt er.

Im November folgt Samuel Becketts „Das Endspiel“ in der Regie von Anne Lenk. Vor drei Jahren versuchte sich Christopher Rüping in den Kammerspielen schon einmal an Dostojewskis Roman „Der Spieler“, nun wagt Andreas Kriegenburg im Dezember eine Bühnenfassung im Residenztheater.

Spektakuläres Bühnenbild

Das neue Jahr beginnt im Cuvilliéstheater mit Tschechows „Die Möwe“ – ein Stück, in dem ebenfalls das Theaterspielen zum Thema wird. Alvis Hermans inszeniert. „Räuber“-Regisseur Ulrich Rasche kehrt im Februar mit „Elektra 4.48 Psychose“ von Hugo von Hofmannsthal und Sarah Kane ins Residenztheater zurück – in einem spektakulär aufwendigen Bühnenbild, wie Kusej ankündigte.

Diese Aufführung ist einer der betriebsinternen Gründe für den Verzicht auf das zuletzt obligatorische Familienstück. Nur eine Wiederaufnahme von „Alice im Wunderland“ ist möglicherweise noch drin.

Wim Vandekeybus bringt im Februar im Cuvilliéstheater mit eigenen Leuten und Ensemblemitgliedern die „Bakchai“ nach Euripides heraus. Darauf folgt ein letztes Spiel: „Eine göttliche Komödie“ nach Dante und Pasolini von Federico Bellini in der Regie des Italieners Antonio Latella, ehe die Ära Kusej mit Premieren von Elfriede Jelineks „Wolken.Heim.“ und Robert Gerloffs Projekt nach E.T.A. Hofmanns „Der Sandmann“ zu Ende geht.

Im Marstall beginnt die Saison mit von „Ur“ des aus Kuwait stammenden Regisseurs Sulayman Al Bassam. Ausgehend vom Untergang der mesopotamischen Stadt vor 4000 Jahren beschäftigt sich der Abend mit der Kolonisierung, Aneignung und Auslöschung von kultureller Erinnerung, etwa für nationalistische Zwecke durch die Deutsche Orient-Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts oder den IS im Jahre 2015.

Lob für Ludwig Spaenle

Aus dem „Marstallplan“ mit jungen männlichen und weiblichen Regisseuren, Assistenten sowie Regie-Studierenden der Theaterakademie am Ende der Spielzeit wird nun der „Marstalljahresplan“ mit drei Wochenenden mit jeweils zwei Premieren über die gesamte Spielzeit verteilt.

Kusej lobte die von der Politik ermöglichten „paradiesischen Verhältnisse“ in München und nannte ausdrücklich den ausgeschiedenen Kunstminister Ludwig Spaenle. Naturgemäß wurde er auch gefragt, welche Ensemblemitglieder er ans Burgtheater mitnehmen werde, worauf er – naturgemäß – keine Antwort gab.

Man spürt aber: Ein wenig mulmig ist Kusej angesichts der politischen Veränderung in unserem Nachbarland schon. Er versprach, sich einzumischen und weiter Klartext zu reden – seine Art von dezent verborgenem Abschiedsschmerz. 

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