Was Jonas Kaufmann in Erl plant
Brigitte Fassbaender war nach einer großen Gesangskarriere viele Jahre Intendantin, die Mezzosopranistin Randi Stene leitet die Oper von Oslo, Rolando Villazón ist als Doppelgänger des Komponisten erfolgreich Leiter der Salzburger Mozartwoche. Insofern ist es nicht übermäßig verwunderlich, dass sich nun Jonas Kaufmann im Spätsommer seiner Tenorkarriere in Richtung Intendanz orientiert: Für sechs Jahre soll der 54-Jährige die Tiroler Festspiele leiten - im Erl kurz vor Kufstein und gleich hinter der deutschen Grenze im Inntal gegenüber von Oberaudorf.
Das große Tiroler Autobahnkreuz
Die Bekanntgabe der ersten Saison begann mit dem ortsüblichen "Grias di" des Tiroler Landeshauptmanns Anton Mattle. Der wünschte sich eine Brücke zwischen Salzburg und Bregenz - beziehungsweise eine Art Inntalautobahndreieck unter der Einbeziehung Münchens, wo Kaufmann herkommt. Der betonte die spontane Liebe zum Tiroler Passionsdorf, in das ihn der allmächtige Festspielpräsident, Ex-Politiker und Ex-Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner gelockt habe. Kaufmann hat keineswegs vor, das Singen aufzugeben. Aber er hofft, das gegenwärtige Aufmerksamkeitsplus möge sich in einen stetigen Fahrtwind für Erl verwandeln.

Kaufmann möchte das Festival in der "internationalen Wahrnehmung des Publikums nach vorne bringen". Er betonte, dass die Oper für ihn zum unterhaltenden Gewerbe gehöre. Insofern überrascht das Programm für den Sommer 2025: Zur Eröffnung kommt die vor zwei Jahren in Aix-en-Provence uraufgeführte Oper "Picture a Day like this" von George Benjamin zur österreichischen Erstaufführung.
Mehr Emotionen wagen
Als zweite Premiere inszeniert Claus Guth einen Doppelabend aus "Herzogs Blaubarts Burg" und "La voix humaine" von Francis Poulenc, Solisten sind Florian Boesch, Judith Christel Loetzsch und Vera Lotte Boecker.

Auf George Benjamin trifft immerhin zu, was Kaufmann als Defizit vieler moderner Opern beschrieb: Er lässt Emotionen zu. Die wird es reichlich in "La traviata", "Rigoletto" und "Il trovatore" geben - konzertant zwar, aber mit den Bariton-Stars Ludovic Tézier und Luca Salsi. Am Pult steht Asher Fisch, der als Chefdirigent amtieren wird. Der in Jerusalem geborene Dirigent hat sich kürzlich in der Alpenrepublik einbürgern lassen, weil Österreich, wie er sagte, eines der letzten Länder der Welt sei, in dem Musik noch vom Staat und Privatunternehmern wie Haselsteiner unterstützt werde.
Zu Ostern Karfreitagszauber
Kaufmann wird im ersten Akt der "Walküre" auftreten. Fisch dirigiert, die übrigen Rollen singen René Pape und Lise Davidsen. Zu Ostern gibt es "Parsifal" mit Kaufmann. Diese Form von Karfreitagszauber soll zu einer festen Einrichtung werden, ebenso wie Aufführungen der Bach-Passionen mit örtlichen Kräften.
Wegen der Erler Passion steht 2025 nur das Festspielhaus zur Verfügung. Als Casting-Director amtiert Ilias Tzempetonidis vom Teatro San Carlo, "statthaltender Ortsvorstand" wird Andreas Leisner. Das Herbst-Festival kuratiert die Musikbanda Franui, nach Weihnachten 2024 kommen Puccinis "La bohème" szenisch (Regie: Barbara Lluch) und Bellinis "I puritani" konzertant heraus - in Fortsetzung der Erler Belcanto-Tradition.
Dagegen, dass gesellschaftspolitische Überzeugungen in Werkinterpretationen einfließen, sei ja nichts einzuwenden, sagte Kaufmann. "Die Frage ist, ob ich das mit subtilen Nadelstichen mache oder mit dem Zaunpfahl." Für die Zukunft kündigte er Inszenierungen von Damiano Michieletto und Calixto Bieito an - im Wissen, dass das nicht jedem gefallen werde.

Kaufmann reizt, dass Festspiele wie Erl nicht unter dem Repertoire-Druck stünden. Hier könne ordentlich geprobt werden. Er kündigte an, regelmäßig auf der Bühne zu stehen, wenn auch nicht in jeder Saison. Bei der Pressekonferenz wirkte er fahrig - vor seinem ersten "Tristan" strahlte er in München mehr Ruhe aus. Aber das wird sich mit mehr Übung in der neuen Rolle bald geben: Das für einen Intendanten nötige Selbstbewußtsein hat Kaufmann.
Infos unter tiroler-festspiele.at
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